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SPANISH LOVE SONGS

No Joy

Na logo! War ja klar, dass das neue SPANISH LOVE SONGS-Album so einen positiven Titel wie „No Joy“ tragen würde. Die Band um Sänger und Gitarrist Dylan Slocum hat sich nicht umsonst mit ihren tieftraurigen, aber irgendwie auch fantastisch hoffnungsvollen Songs in die Herzen all derer gespielt, die das Bindeglied zwischen GASLIGHT ANTHEM und HOT WATER MUSIC gesucht haben. „Ich habe meiner Band die neue Platte als eine Ansammlung von Liebesliedern vorgestellt. Die haben darauf nur geantwortet, dass ich sie nicht mehr alle hätte.“ Auf den ersten Blick wirken die zwölf neuen Songs auch beileibe nicht so, als würden gleich Schmetterlinge durch den Raum fliegen. In Songs wie „Pendulum“ sind es eher Motten, die sich vorher lange durch unser abgewetztes Lieblingsshirt gefressen haben, das sowieso schon längst aus dem Kleiderschrank verschwunden sein sollte. Es ist erstaunlich, wie effektiv Slocum es schafft, dass wir mit ihm leiden. Seine Wunden werden zu unseren und es ist zumindest für mich stellenweise nicht möglich, „No Joy“ am Stück zu genießen. Dabei versuchen es SPANISH LOVE SONGS mit ihren wahrscheinlich poppigsten Stücken, mit eingängigen Melodien und absolut mitsingbaren Hooks immer wieder. Und ja, lässt man den Text bei „Haunted“ mal außen vor, ist Tanzen absolut möglich. Natürlich geht auch beides. Aber dann sind wir bei ULTRAVOX. Alles wunderbar und gleichzeitig auch wunderbar traurig. SPANISH LOVE SONGS also?! Mit „No Joy“ ist die Band wahrscheinlich so weit von einem Gute-Laune-Album entfernt wie seit „Schmaltz“ nicht mehr. Und das funktioniert mal wieder sehr gut. Wie zur Zeit kaum ein anderer, hat Slocum es für sich perfektioniert, in seinen Wunden herumzustochern und dabei irgendwo neben all dem Mist noch einen Funken Hoffnung zu finden. Sei es die einfach nicht enden wollende Waffengewalt in Amerika oder die desaströse medizinische Versorgungssituation samt einem ruinösen Versicherungssystem – die USA sind kein Land, in dem man als „normaler“ Mensch zur Ruhe kommen könnte. Was da bleibt, ist nur, sich mit seinen eigenen Dämonen auseinanderzusetzen und anderen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Im Interview erzählt der Sänger davon, wie wichtig es sei, in diesen unschönen Zeiten irgendwie so etwas wie einen Anker zu haben, an dem man sich immer wieder festhalten kann. „No Joy“ kann dieser Anker sein. Genauso wie es vorher „Brave Faces Everyone“ und „Schmaltz“ waren. SPANISH LOVE SONGS haben es mal wieder geschafft, dass ich mich auf ein Konzert freue. Nur um dort mit anderen „zusammen zu sein“. Das gelingt wohl sonst nur Taylor Swift ... Die Pandemie ist mittlerweile musikalisch aufgearbeitet. Zeit also, sich wieder mit den alltäglichen Problemen zu beschäftigen. Und davon gibt es ja genug. Wie gut, dass SPANISH LOVE SONGS ein Lied davon singen können.