Vielen dürfte Nikel Pallat als der Mann mit dem Beil aus der WDR-Sendung „Ende offen“ bekannt sein. In seiner Funktion als TON STEINE SCHERBEN-Manager haute er damit 1971 auf den Tisch, um das „Unterdrückungsinstrument Fernsehen“ anzugreifen. Das vorliegende Buch von Christof Dörr zeigt Pallats Weg vom Steuerinspektor in Göttingen bis zum Manager der Scherben und zum Mitinhaber des Hamburger Musikvertriebs Indigo. Die Interviews wurden wegen der Corona-Pandemie und der verschiedenen Wohnorte meist am Telefon geführt. Neben Pallat kommen in so genannten Intermezzi folgende Personen zu Wort: seine Frau Marie Sublet, Frank Fenstermacher (FEHLFARBEN, DER PLAN, Ata Tak), Claudia Roth, FETTES BROT, SLIME (Diggen, Mahler), Mark Chung (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN), Martin Paul (Scherben-Keyboarder), Kai Sichtermann (Basser) und Funky K. Götzner (Schlagzeuger), Michael Polten (HANS-A-PLAST, No Fun Records). Pallat erzählt detailreich und humorvoll. Vom ersten Auftritt der Scherben beim Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn, wo auch Jimi Hendrix spielte, vom ersten Treffen der Band in der Görlitzer Straße in Berlin, was zur „Anstellung“ als Manager, Techniker, Fahrer, Mitmusiker („Paul Panzer Blues“) und Organisator führte. Pallat hatte aber mehr zu bieten als Organisationstalent, er hatte Visionen und Ideen. Aus der Not nahm die Band den Vertrieb ihrer Platten selbst in die Hand, sie gründeten ein Label und verkauften aus dem Kofferraum. Stark verkürzt: Daraus entstand 1982 Energie für alle (EFA), ein deutscher Independent-Plattenvertrieb, aus dem später Indigo (unter anderem der Vertrieb von Epitaph Records) hervorging, dessen Teilhaber Pallat bis heute ist. DIY until we die!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #168 Juni/Juli 2023 und Jürgen Schattner