Die Revolution frisst ihre Eltern. Waren NEW ORDER einst Avantgarde, hatten einen einzigartigen Sound, so sind die gelehrigen Schüler des seit Jahren andauernden Dance-Punk-Revivals über deren musikalische Hinterlassenheit längst hergefallen wie Hyänen über einen Kadaver.
BLOC PARTY, INTERPOL, THE FAINT, THE RAPTURE, und wie sie alle heißen, haben den Sound der frühen Achtziger in einer so erstaunlich frischen und durchaus begeisternden Weise zu neuem Leben erweckt, dass dessen (Mit-)Erfinder eigentlich nur mit vor Staunen weit geöffnetem Mund daneben stehen können.
Aber wenn genannte Bands es schaffen, heute Zwanzigjährige zum Kauf der alten NEW ORDER-Platten zu veranlassen, gibt es daran nichts auszusetzen. Doch was eigentlich habe ich von einem neuen NEW ORDER-Album im Jahr 2005 erwartet? Irgendwie eine Band, die an ihre besten Tage anknüpft, ohne sich selbst zu covern, und die doch neue Impulse setzen kann.
Bei den ersten beiden Songs von "Waiting For The Siren's Call" ist in dieser Hinsicht Fehlanzeige. Britpop, schön, gut, der aber auch sehr beliebig klingt. Doch dann der Titelsong, und da ist sie, die NEW ORDER-Magie, Bass- und Gitarrensound stimmen, der Synthie-Teppich, der Rhythmus, dem man die JOY DIVISION-Vergangenheit anhört, und auch Bernard Sumners Gesang klingt vertraut.
War das Gründungs-Line-up - Sumne/Hook/Morris/Gilbert - des Jahres 1980 noch bis vor kurzem stabil, so stieg jüngst Keyboarder Gilbert aus und wurde durch den Live-Gitarristen Phil Cunningham ersetzt, am Sound hat das jedenfalls nichts geändert.
Der bleibt nach "Waiting ..." vertraut, auch wenn das bei dem auf die schmusige Single-Auskopplung "Krafty" folgende "I told you so" schnell nervt. Die zweite Hälfte des Albums birgt dann keine Überraschungen mehr.
NEW ORDER halten mit ihrer ersten neuen Platte seit 2001 auf hohem Niveau mit der kontemporären, schlauen britischen Popmusik der Liga OASIS und COLDPLAY mit, ohne sich besonders hervorzutun oder gar zu überraschen.
(56:38) (07/10)
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