NEIL YOUNG

A Letter Home

Ich sehe sie schon förmlich vor mir, die Schlangen derer vor den Elektronikfachmärkten, die das neue Neil Young-Album „A Letter Home“ umtauschen wollen, denn irgendwie scheint da was kaputt zu sein. Zumindest klingt die Platte, als ob sie in einer Telefonzelle aufgenommen wurde.

In so was Ähnlichem ist Young auch auf dem Cover zu sehen, bewaffnet mit Gitarre und Mundharmonika. Dabei handelt es sich um einen Voice-O-Graph aus dem Jahr 1947, mit dem man in sehr unmittelbarer Form Vinylplatten aufnehmen konnte.

Besitzer dieses vorsintflutlichen Aufnahmegerätes ist Jack White, in dessen Studio „A Letter Home“ auch entstanden ist. Eine Sammlung von elf Coverversionen, unter anderem aus der Feder von Phil Ochs, Willie Nelson, Bruce Springsteen oder Gordon Lightfoot, denen Young eine besondere persönliche Note verleihen wollte, weshalb die Platte auch mit einer Nachricht an seine 1990 verstorbene Mutter eingeleitet wird.

Allerdings fragt man sich häufiger, ob er sich damit nicht in künstlerischer Hinsicht selbst ein Bein gestellt hat, denn „A Letter Home“ eiert, rauscht und knistert dermaßen heftig vor sich hin, dass ein Shitstorm enttäuschter Fans vorprogrammiert war.

Dafür stellt Young mal wieder unter Beweis, wie sehr er inzwischen auf kommerzielle Erwägungen pfeift und seiner eigenen Vision folgt. Und ganz ohne Charme ist „A Letter Home“ definitiv nicht, es braucht nur einige Hördurchgänge, um mit diesem archaischen Sound klarzukommen.