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MONSIEUR VERDOUX - DER FRAUENMÖRDER VON PARIS

Für die meisten dürfte Sir Charles Chaplin immer der putzige Landstreicher mit übergroßen Schuhen, Bambusstock, Melone und Hitler-Bärtchen aus den Slapstick-Stummfilmen bleiben, aber spätestens 1940 mit DER GROSSE DIKTATOR zeigte Chaplin, dass er auch an ernsteren Themen interessiert war.

Melodramatisch und gesellschaftskritisch waren aber schon seine früheren Arbeiten, auch wenn man das unter der humoristischen Ebene leicht übersehen konnte. Sein untypischster Film ist aber mit Abstand MONSIEUR VERDOUX, inspiriert vom Fall des Serienmörders Henri Désiré Landru.

Den sollte eigentlich Orson Welles mit Chaplin als Hauptdarsteller drehen, dem Chaplin die Idee aber dann abkaufte und das Drehbuch umschrieb. In den Staaten war der Film allerdings der größte finanzielle Flop in Chaplins Karriere, denn weder Kritiker noch das Publikum konnten sich mit dessen düsteren Themen anfreunden.

Hinzu kam erschwerend, dass Chaplins Image zu dieser Zeit durch mehrere Skandale und politische Kontroversen eh schon schwer angekratzt war. Die Prämisse des Films lautete dabei, dass „Mord die logische Erweiterung des Kapitalismus ist“, worin die Hauptfigur, der arbeitslose Bankangestellte Henri Verdoux, die Legitimierung für sein Tun sieht: „My real name is Henri Verdoux, and for 30 years I was an honest bank clerk until the depression of 1930, in which year I found myself unemployed.

It was then I became occupied in liquidating members of the opposite sex. This I did as a strictly business enterprise to support a home and a family.“ Verdoux ist also ein Opfer der damaligen Weltwirtschaftskrise, der in Folge als moderner Blaubart reiche Witwen heiratet und ermordet, um Frau und Kind zu versorgen.

Auch wenn Verdoux letztendlich der Gang zur Guillotine nicht erspart bleibt („I have made my peace with God, my conflict is with man.“), stellt Chaplin dessen Tun moralisch nicht in Frage, denn schließlich tötete er nur für seinen Verdienst und ist somit auch kein Mörder, denn Geschäftsleute und Soldaten kommen deswegen ja auch nicht vor Gericht („One murder makes a villain; millions a hero.“).

Diese Bloßstellung von gesellschaftlicher Doppelmoral kam allerdings nicht sonderlich gut an, und dem damaligen Publikum dürfte es noch schwerer gefallen sein, sich mit einem Mörder zu identifizieren, der gleichzeitig auch noch fürsorglicher Familienvater sein soll, und der eben ein Opfer und nicht der Täter ist.

Zudem liegen bei MONSIEUR VERDOUX Grauen und Lachen zu nah beieinander, denn Chaplin zeigt natürlich auch hier sein typisches Gespür für extreme Situationskomik. Und da es sich um einen richtigen Tonfilm handelt, kommt noch durchaus bissiger Dialogwitz hinzu.

Eine klassische schwarze Komödie in geschmacklich grenzwertigen Bereichen also und aufgrund ihrer sehr deutlichen politischen wie subversiven Botschaften zu provokant und düster, um Chaplins bisheriges Publikum zu begeistern.

Dennoch ist auch hier Chaplins allzu dick aufgetragene Melodramatik vorhanden, die mich persönlich aber an all seinen Filmen stört, ansonsten ist MONSIEUR VERDOUX als Gesamtwerk aber wirklich gut gealtert.

Deshalb gehört MONSIEUR VERDOUX auch zu Chaplins besten und wichtigsten Filmen, der aber erst Jahrzehnte später in angemessener Weise gewürdigt wurde. Die im Mai erschienene Arthaus/Kinowelt-DVD präsentiert den Film – in einer Reihe mit weiteren Werken von Chaplin – das erste Mal in komplett ungeschnittener Form, und so wurden die bisher fehlenden 15 Minuten im Original mit Untertiteln wieder eingefügt.