MINUTEMEN

We Jam Econo - The Story of the Minutemen DVD

Ehrlich gesagt, ging mir gerade in den letzten Jahren die unreflektierte Beweihräucherung von SST als heiligem Gral der Musikgeschichte durch bestimmte Leute immer mehr auf die Nerven. Natürlich wäre auch meine Plattensammlung ohne SST ein Stück kleiner und die Welt um einige großartige Bands ärmer, wie eben die MINUTEMEN, eine der ganz frühen SST-Bands, die sich heute eigentlich noch schwerer in das in den Köpfen vieler Leute vorherrschende Bild von Punk pressen lassen.

Drei Typen aus dem Arbeitermilieu, der Gitarrist und Sänger leicht übergewichtig, der andere am Bass mit einer Fixierung auf Holzfällerhemden gesegnet, und dann noch ein komischer Surfer am Schlagzeug, die Musik produzierten, die die minimalistische Attitüde von WIRE aufgriff, aber umgesetzt mit einer Funk-Freejazz-Mentalität, die auch heute noch sehr gewöhnungsbedürftig klingt.

Waren die MINUTEMEN deshalb die beste Punkband überhaupt? Im Nachhinein lässt sich so was immer schön behaupten, auf jeden Fall waren sie eine der originellsten. Deshalb ergeht sich Tim Irwins 2004 entstandene, 90-minütige Doku auch in einer fortwährenden Lobpreisung dieser Band, was prinzipiell schon okay geht, denn die MINUTEMEN waren halt auch eine tolle Band und deren Bassist Mike Watt so was wie gute Seele des Westküsten-Punks, dessen Glaube an DIY und an das, was seine alte Band da irgendwie mit den Weg gebracht hat, nach wie vor ungebrochen scheint, und der ja mit fIREHOSE und solo auch danach immer noch verdammt aufregende Musik gemacht hat.

Dementsprechend steht Watt hier auch im Mittelpunkt und erzählt uns die Geschichte der MINUTEMEN und seiner Freundschaft zu D. Boon, die 1985 ein tragisches Ende fand, als der einen tödlichen Autounfall erlitt, wobei man Watt irgendwie als etwas lebendigeren Geschichtenerzähler in Erinnerung hatte.

Natürlich wurden auch jede Menge andere Zeitzeugen befragt, wie der unvermeidliche Flea, Henry Rollins, MINUTEMEN- und fIREHOSE-Schlagzeuger George Hurley, Richard Hell, John Doe, Ian MacKaye, Greg Norton, Grant Hart, Jello Biafra, J.

Mascis, Thurston Moore und Lee Ranaldo, um nur einige zu nennen. Dazu kommt ein ausführliches Interview mit den MINUTEMEN - das 56-minütige Bard College-Interview, das auch noch als Bonus komplett auf der DVD enthalten ist -, das kurz vor ihrer Tour mit R.E.M.

entstand und die Doku in gewisser Weise zusammenhält, neben vielen Live-Aufnahmen, die ich in dieser Bündelung bisher auch noch nicht zu Gesicht bekommen habe. Irwins Film ist also eine schöne Materialsammlung, aber ist "We Jam Econo - The Story of the Minutemen" auch eine gute Doku? Eher nicht, zum einen, weil das hier überwiegend eine Veranstaltung für Eingeweihte mit nostalgischem Ton ist, die man nicht mehr von der Wichtigkeit der Band überzeugen braucht.

Aber ob diese Message auch überzeugend beim Rest der Menschheit ankommt, ist fraglich, denn die MINUTEMEN bleiben auch nach gut 25 Jahren einfach eine ziemlich seltsame Band. Bis auf die nackten Tatsachen gibt es keine wirklich analytische Auseinandersetzung, was die weitergehende Bedeutung der Band betrifft, auch in Bezug auf die danach entstandenen fIREHOSE, denn Aussagen dazu von deren Ed Crawford sind jetzt nur noch bei den "deleted scenes" zu finden - ebenso wie komischerweise die von R.E.M.s Mike Mills, der sich da zu der Tour mit den MINUTEMEN äußert.

Mit dem Tod von D. Boon ist auch die Doku vorbei, was ein wenig unbefriedigend und abrupt wirkt. Und dann wäre da noch das Thema SST, das bei Irwin auch nicht mehr wirklich stattfindet, denn ein gewisser Greg Ginn taucht nur noch unter Danksagungen auf.

Das war bei der Premiere des Films allerdings noch anders, wo es von Seiten des Publikums heftige Reaktionen beim Erscheinen dieses umstrittenen Herren auf der Leinwand gab, und der jetzt noch nicht einmal bei den deleted scenes auftaucht, was die Macher des Films in einem Forum reichlich schwammig begründen: "Greg Ginn preferred for his contribution to the film to be through letting us use music, artwork, flyers, etc.

He was a great help to us and deserves special thanks. While clips from his interview did not appear in the final version of the film his interview did help us to gain a better understanding of the band and we appreciate his help very much." Wie auch immer ...

Irwin ist halt kein Errol Morris, das merkt man schon an seinem sehr bodenständigen Inszenierungsstil, und sein Film eher ein Fall wie Julien Temples "The Filth And The Fury", also durchaus interessant und dementsprechend sehenswert, aber letztendlich die Arbeit eines Fans und nicht die eines deutlich unbeteiligteren Beobachters, der vielleicht auch kritischere Fragen gestellt hätte.

Wer sich für die MINUTEMEN interessiert, wird aber um die Anschaffung dieser DVD kaum herumkommen, alleine schon wegen des reichhaltigen Bonusmaterials, denn auf der zweiten Disc gibt es drei Live-Auftritte der Band mit insgesamt 62 Songs.

Und auch die anwesenden drei Videoclips zu "This ain't no picnic", "Ack ack ack ack" und "King of the hill" sind extrem unterhaltsam. Eine Aufarbeitung der Geschichte von Punk in Bezug auf eine bestimmte Band darf man hier aber nur auf sehr oberflächlichem Level erwarten.