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MILITARIE GUN

Life Under The Gun

Ist das noch Hardcore oder schon Alternative Rock? Müssen Bands in Schubladen passen, in die Musikjournalisten sie hineinpressen wollen? TURNSTILE aus Baltimore haben diese Frage erst vor zwei Jahren mit ihrem Album „Glow On“ auf beeindruckende Weise beantwortet. Wütendes Geschrei und poppige Hooks vertragen sich gut. Das ist seitdem klar. Scheiß auf Kritiker! Warum nicht einfach neue Wege gehen? Ähnlich denken MILITARIE GUN aus Los Angeles. Ursprünglich war die Band ein Soloprojekt von Ian Shelton, der mit der Hardcore-Band REGIONAL JUSTICE CENTER zuvor schon zwei leidlich erfolgreiche Alben aufgenommen hat. Parallel produziert Ian regelmäßig Videoclips für befreundete Bands wie DRUG CHURCH, KNUCKLE PUCK oder SUPERCRUSH. Dann kommt Corona und das Ende der Band. Ian fängt an, zu Hause Songs zu schreiben und aufzunehmen. Songs, in denen er seine schwere Kindheit im ländlichen Nordwesten der USA verarbeitet. In einer Familie mit Suchtproblemen. Als er sich ständig selbst fragen musste: Kommt heute wieder die Polizei zu uns? Was ist los, wenn ich von der Schule nach Hause komme? Sein Ausweg war schon damals die Musik. Vor drei Jahren veröffentlichen MILITARIE GUN ihre erste EP „My Life Is Over“, die Shelton noch im Alleingang einspielt und aufnimmt. Kurze Zeit später findet Ian Shelton vier Mitmusiker, mit denen sich gut arbeiten lässt: die beiden Gitarristen Nick Cogan und William Acuña, Bassist Max Epstein und Schlagzeuger Vince Nguyen. 2021 folgt die zweiteilige EP „All Roads Lead To The Gun“ mit je vier Songs, die in einer Deluxe-Version mit vier weiteren Songs zu einer Art Album aufgeblasen wird. Das echte Debütalbum heißt aber „Life Under The Gun“ und hat durchaus die innovative Kraft von „The Shape Of Punk To Come“ von REFUSED. Zwölf hymnische, emotionale Songs, in denen Frontmann Ian Shelton seine Zerrissenheit und all seinen Kummer preisgibt. „Es geht um Sucht“, sagt Shelton. „Es geht darum, sich schlecht zu fühlen und nach etwas zu greifen, um das zu ändern.“ Es geht aber auch um zwischenmenschliche Beziehungen, in denen viel schiefgelaufen ist. Um seelische Verletzungen, um Bedauern und Verzeihen. In jedem Ton hört man Ian seinen Schmerz an. Und an jeder Ecke lauern andere Einflüsse aus den Nineties: mal BLUR, mal FUGAZI, mal THE JESUS LIZARD. Der Sound bleibt zwar im Hardcore/Punk verwurzelt, unternimmt aber immer wieder ausgedehnte Ausflüge in benachbarte Blumenbeete. Aufgenommen im The Pit Recording Studio von Taylor Young von DRAIN, NAILS. Diese Musik hat das Potenzial, groß zu werden. Wenn alles nach Plan läuft, stehen die Weichen auf Stadionrock. MILITARIE GUN müssen nur aufpassen, dass sie nicht irgendwann die falsche Ausfahrt nehmen und wie FOO FIGHTERS enden. Das wäre schade.