Zwei Aufforderungen fallen dem Mittdreißiger Thomas in die Hände, als er entdeckt, dass seine Frau mit der gemeinsamen Tochter ausgezogen ist. „Komm aus diesem Loch raus, ich erkenne meinen Mann nicht wieder!“, schreibt seine Frau, „Pack deine Stiefel, wir hauen ab!“, sagt ein alter, eigentlich längst vergessener Zettel seines Jugendfreunds Martin.
Er folgt beidem, zieht die Stiefel an, begibt sich zum Hauptbahnhof und kauft dort ein Ticket, das ihn raus aus Belgien bringen soll. Just als er in den Zug steigen will, wird er von einem pöbelnden, alten Streetpunk aufgehalten – Martin – und eine Reise in die eigene Vergangenheit beginnt.
„Lauter leben!“ ist zwar rundum ausdrucksstark und emotionsgeladen, hat allerdings mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass die Zeichner Mikael Ross und Texter Nicolas Wouters selbst erst Ende 20 sind, ihre Geschichte aber in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre ansiedeln, dabei aber historisch nicht ganz einwandfrei recherchiert haben und reelle Orte (in Berlin/Brüssel) umfunktionieren oder komplett umbenennen.
Das kann man natürlich auch unter „künstlerische Freiheit“ laufen lassen, und wer sich nicht daran stört, der wird mit den sanft bis ruppigen Aquarellbildern in Blau- und Rottönen auch gut unterhalten.
Eine reine „Punkgeschichte“ sollte man allerdings so oder so nicht unbedingt erwarten, denn Punk dient hier eher als Ventil für aufgestaute Aggressionen und Verarbeitungsinstrument von Psychosen.
Wichtiger ist die Geschichte der Freundschaft als solches, das Nachzeichnen von Lebensläufen und die Darstellung von Befindlichkeiten, von Erfolg, Scheitern, Krisen, Leben und Sterben. Mensch sein als solches eben, mit all seinen Licht- und Schattenseiten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #115 August/September 2014 und Anke Kalau