MAULGRUPPE waren eines der Highlights im kargen Live-Jahr 2020, aber eben ein Highlight, das einen über mehrere düstere Wochen brachte. Einen Teil der Songs auf „Hitsignale“ gab es damals schon zu hören, weil die Band, ähnlich wie HÜSKER DÜ, live lieber das neueste Material spielt als die schon wieder alten Kamellen der gerade erst erschienenen letzten LP. Eine Sache, die man live und auch hier auf der Platte deutlich merkt: Der alte Mann hat wieder richtig Bock. So hibbelig und energisch habe ich Jensen bestimmt seit BLUMEN AM ARSCH DER HÖLLE nicht mehr erlebt, umso erfreulicher ist es, dass die Schwarzwald-Connection mit Frank Otto und Markus Brengartner (KURT, TEN VOLT SHOCK und vor allem YASS) ihn wieder zu textlichen Höchstleistungen anspornt. Auf MAULGRUPPE und diesen Sound hat er offenbar extrem Lust. Wo andere sich zur Ruhe setzen und vor der Waldkemenate auf einer Bank sitzend mit einem Stock der Jugend hinterherschimpfen würden, stellt Jens Rachut sich eben wieder auf die Bühne und pöbelt von oben herab, was wesentlich effektiver ist, weil eine derart treibende Rhythmussektion aus Schlagzeug, Gitarre, Synthesizer und (oho!) neuerdings auch einem Bass, wesentlich lautere Argumente sind. Die Texte machen Spaß, weil sie einerseits aktuell sind („Flug x1 Strich 22“) und er mittlerweile sogar genug Abstand zu seinen vorhergehenden Bands hat, dass ein augenzwinkerndes Eigenzitat drin ist. Ein Höhepunkt, wenngleich auch ein trauriger, ist „Kakteen verblühen nie“, ein Duett mit der inzwischen verstorbenen Françoise Cactus. Ein letzter Gruß und eine große Geste, die so nur wenige hinbekommen hätten. Beim Coverartwork muss ich immer an die Frage denken, wo ein ausgewachsener Gorilla im Bus sitzt? Die Antwort ist simpel: Wo er will! Vielleicht ist das auch eines der wesentlichen Elemente: Jens Rachut, der mit seinen vorhergehenden Bands so viele Epigonen und Adepten geprägt hat, dass das mitunter bis heute schmerzlich nachwirkt, weil sich viele einfach nicht lösen können, muss nicht, er kann! MAULGRUPPE könnten auch ohne Jens, dann wären es eben YASS, denn musikalisch ist das eine neue Züchtung, die in der Kombination ganz andere Blüten treibt. Dieser dichte Sound, getragen von einem Schlagzeug, das als eigenständiges Instrument gespielt wird (und dessen Arbeitstier dahinter man nur zu gerne zusieht), die Gitarren, die zwischen kurzen Riffs und Flirren schweben, ist unverkennbar. Der neu hinzugekommene Bass verdichtet das Gesamtpaket noch einmal mehr. Zusammen mit den Texten und dem Gesang ergibt sich eine Summe, die größer ist als ihre Einzelteile. Erstmals bin ich nicht versucht, um jeden Preis alle Ex-Bands von Jensen aufzuzählen. Warum? Weil es bis auf den unverkennbaren Gesang und die Texte nur ein Teil der Wahrheit wäre. Großartig!
© by - Ausgabe # und 1. April 2022
© by - Ausgabe # und 25. März 2022
© by - Ausgabe # und 27. März 2019
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #143 April/Mai 2019 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #156 Juni/Juli 2021 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #143 April/Mai 2019 und Joachim Hiller