Kaum zu glauben, aber in den Neunziger und Nuller Jahren haben erwachsene Menschen mehrere Stunden am Tag damit verbracht, sich Videoclips von Bands anzuschauen. Das war lange vor Spotify, YouTube und Instagram. MTV und Viva spielten die neuesten Songs von Alternative-Bands aus den Staaten oder Indiepop aus UK. Musik, die damals nicht im Radio lief. Sendungen wie „120 Minutes“, „MTV’s Most Wanted“ oder „Headbangers Ball“ waren Pflichtprogramm. Dazu kamen Unplugged-Shows von NIRVANA oder ALICE IN CHAINS. Präsentiert von witzigen Moderatoren wie Ray Cokes und all den Newcomern, die bei Viva zum ersten Mal vor der Kamera auftauchten: Stefan Raab, Heike Makatsch, Klaas Heufer-Umlauf, Charlotte Roche oder Christian Ulmen. Markus Kavka, selbst Moderator bei MTV, und Elmar Giglinger, Programmdirektor bei Viva, schauen auf diese Jahre zurück, sprechen mit Protagonisten von damals und sammeln Geschichten vor und hinter der Kamera. Was bei Preisverleihungen hinter den Kulissen passierte, wie chaotisch es teilweise abseits der Kamera ablief, warum TOCOTRONIC nicht mitspielen wollten und natürlich das Ende der fetten Jahre. Deep inside der klebrigen Popwelt der Neunziger. Es wird deutlich, welche Marktmacht diese beiden Sender in der Musikbranche damals hatten und wie groß deren Rivalität untereinander war. Erzählt werden die Storys als Oral History, also durch Zitate der Protagonisten, wie bei „Please Kill Me“ oder „Verschwende deine Jugend“. Über 500 Seiten zu fast dreißig Jahre Musikfernsehen in Deutschland – ein Medium, das heute völlig bedeutungslos geworden ist.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #171 Dezember 2023/Januar 2024 2023 und Wolfram Hanke