LOVE EXPOSURE

Galt früher vor allem Takashi Miike als Enfant terrible des japanischen Kinos, dürfte ihm inzwischen Sion Sono den Rang abgelaufen haben, der seit Ende der Achtziger auf surreale und avantgardistische Art Genre-Kino auf den Kopf stellt und damit sogar noch etwas Gehaltvolles über die gesellschaftlichen Zustände seines Landes zu sagen hat.

Innerhalb seines, auf das Publikum oft wie eine Achterbahnfahrt wirkenden Schaffens findet sich neben sinnfreiem Splatter-Trash wie „Cold Fish“ von 2010 oder einem albtraumhaften Thriller wie „Strange Circus“ von 2005 auch ein extrem ambitioniertes Epos wie „Love Exposure“.

Diesen knapp vierstündigen Film bezeichnet der deutsche Verleih durchaus treffend als „wildes und ungebändigtes Potpourri aus großen Gefühlen, aus sexueller Perversion, Sakralem und Sektenwahn“.

Abgesehen von der verbesserten Bildqualität des jetzt erstmals auf Blu-ray veröffentlichten Films, macht diese Neuauflage schon deshalb Sinn, weil man für „Love Exposure“ nicht mehr zwei einzelne DVDs braucht, sondern das Ganze am Stück genießen kann – wenn man es denn durchhält.

Drei, erstaunlich kurzweilige Stunden lang ist man versucht, „Love Exposure“ das Prädikat „Meisterwerk“ zu verleihen, aber wie in vielen seiner anderen Filme verliert der japanische Regisseur auf dem letzten Meter den roten Faden und versucht, sein Publikum noch mal ordentlich zu verwirren – mit kontraproduktivem Resultat.

Dennoch bleibt „Love Exposure“ mit seinem ungestüm wie originell inszenierten Liebesdrama über die Suche eines Priestersohns nach der Traumfrau eine inhaltliche und visuelle Grenzerfahrung.

Sono gelang damit eine vollkommen maßlose Kinooper, die über die gewohnten Konventionen des Kinos weit hinaus geht, gespickt mit Popkulturzitaten und Attacken auf Moralinstanzen wie Religion und Familie.