KIND 44

Laut marxistischer Theorien ist Kriminalität bekanntlich eine dem Sozialismus wesensfremde Erscheinung und eine Folge der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft, die es in der Sowjetunion also eigentlich nicht geben kann.

Das muss auch der sowjetische Geheimpolizist Leo Demidow, die Hauptfigur aus Tom Rob Smiths Kriminalroman „Kind 44“ und der gleichnamigen Verfilmung (dort gespielt von Tom Hardy), auf schmerzhafte Weise am eigenen Leib erfahren, als er während der Stalin-Ära der Fünfziger Jahre eine Mordserie an Kindern aufzuklären versucht.

Denn die Obrigkeit deklariert diese Morde lieber als Unfälle, um das Ganze vertuschen zu können. Demidow wird in Folge zu einem kleinen Milizangestellten degradiert und in einen abgelegenen Ort abkommandiert.

Doch selbst dort lässt er sich nicht davon abhalten, die Hintergründe dieser Morde zu ergründen und bringt sowohl sich als auch seine Frau durch diese Auflehnung gegen das Regime in ernsthafte Gefahr.

Tom Rob Smith verarbeitete in seinem 2008 erschienenen Bestseller gängige Thriller-Motive vor dem Hintergrund der politischen Situation in Russland, heraus kam ein vielschichtiger Serienkiller-Roman mit historischem Bewusstsein.

Bei erfolgreichen Büchern ist eine Verfilmung meist nur eine Frage der Zeit und entstand in diesem Fall sieben Jahre später. Der chilenisch-schwedische Regisseur Daniel Espinosa lieferte mit „Kind 44“ zwar einen an sich solide inszenierten und spannenden Streifen ab, der inhaltlich aber extrem überfrachtet wirkt und bei der Umsetzung des Buches recht eigenartige Entscheidungen traf.

So kam etwa beim Täter das eigentliche Motiv für dessen Taten komplett unter die Räder, was möglicherweise mehr die Schuld von Drehbuchautor Richard Price (der 1974 die Romanvorlage für den Film „The Wanderers“ schrieb) als die von Espinosa war.