In Japan ist der 1989 verstorbene Osamu Tezuka in etwa so bekannt wie bei uns Hergé oder Walt Disney und prägte in seiner 40-jährigen Schaffenszeit die Manga- und Anime-Welt der Nachkriegszeit wie kaum ein anderer, weshalb er auch als „Gott des Manga“ gilt.
Vor allem bedingt durch seinen das erste Mal in den Fünfzigern veröffentlichten „Astro Boy“, der in den Sechzigern auch in bewegten Bildern seinen Erfolgskurs weiterführte, der ihn dann bis nach Amerika führte.
Erst kürzlich entstand ein neuer amerikanischer Animationsfilm mit Astro Boy als Titelfigur. Möglicherweise sind die Kreationen von Tezuka bekannter als der Mann, der sie schuf. Bereits Ende der Siebziger konnte man im ZDF durch „Kimba, der weiße Löwe“ die Umsetzung eines Tezuka-Mangas als Fernsehserie bewundern.
Zur selben Zeit lief auch „Heidi“, eine frühe Arbeit von Isao Takahata und Hayao Miyazaki, den späteren Gründern des Anime-Studios Ghibli. Für naive Kinderaugen war dabei kein Unterschied auszumachen, auch wenn „Kimba, der weiße Löwe“ knapp zehn Jahre vor „Heidi“ entstand.
Es ist anzunehmen, dass man sich beide Serien heute nicht mehr ernsthaft anschauen kann, insofern entpuppt sich die von Carlsen in schmucken Hardcover-Bänden neu aufgelegte und 1950 (also zwei Jahre vor „Astro Boy“) in Japan das erste Mal veröffentlichte Manga-Serie „Kimba, der weiße Löwe“ als angenehme Überraschung.
Dabei irritiert höchstens, wie auch bei anderen Arbeiten von Tezuka, der Kontrast zwischen schön gezeichneten detaillierten Hintergründen und den teilweise primitiv umgesetzten Figuren. Vor allem, wenn es etwas actionreicher wird, scheint Tezuka jegliches Gefühl für Perspektive und Realismus zu verlieren.
Eine ähnlich krude Mischung kann man auch inhaltlich feststellen, denn zum einen liefert einem Tezuka durchaus tiefergehende Schilderungen über die Kultur Afrikas, zum anderen strotzt der Comic nur so vor fast schon schmerzhaft blöden Albernheiten und schrecklichen Stereotypen.
Deshalb merkt ein kurzes Vorwort auch an, dass Tezukas Geschichte eventuell nicht mehr heutiger „political correctness“ entsprechen könnte, dafür aber ganz eindeutig von humanistischen Idealen gelenkt wurde.
Das kann man durchaus unterstreichen, denn die Geschichte eines kleinen weißen Löwen, der Vater und Mutter verliert und versucht, als deren Nachfolger zum Herrscher des Dschungels zu werden, weist eine interessante moralische Ambivalenz und ein starkes ökologisches Bewusstsein auf.
Tezuka schreckt dabei zwar auch nicht vor der Darstellung extremer Grausamkeiten gegen Tier und Mensch zurück, etwas wie Sozialdarwinismus, also das Recht des Stärkeren beim „Kampf ums Dasein“, scheint ihm hingegen völlig fremd zu sein, selbst im Tierreich des Dschungels.
Insofern war Tezuka mit seinen moralischen Standards in den Fünfzigern bereits weiter als viele westliche Comicproduzenten, was „Kimba, der weiße Löwe“ zu einem immer noch äußerst lesenswerten Vertreter niveauvollerer japanischer Comics macht, auch wenn man das im ersten Moment nicht vermuten würde.
Das gilt ebenso für „Buddha“, ein späteres und anscheinend auch unbekannteres Werk von Tezuka, entstanden zwischen 1972 und 1983, in dem sich dieser, wie der Titel schon sagt, dem Leben und Wirken des Begründers des Buddhismus in Indien widmet.
Allerdings taucht die Hauptfigur im ersten Band von „Buddha“ noch gar nicht auf, denn besagter Siddharta Gautama war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren. Dafür entwickelt sich hier eine rasante, aber auch nachdenkliche sozialkritische Abenteuergeschichte vor historischer Kulisse, bei der Tezuka das indische Kastenwesen anprangert, was „Buddha“ neben „Kirihito“ zu einer seiner reifsten Arbeiten macht.