KEIN STERBENSWORT

Zur Abwechslung funktioniert bei Guillaume Canets KEIN STERBENSWORT (NE LE DIS À PERSONNE) der Kulturexport mal in die andere Richtung, denn der Franzose, der eigentlich eher als Schauspieler bekannt ist, hat hier ein Buch des amerikanischen Autors Harlan Coben verfilmt, also kann man hier eigentlich nicht von typisch französischem Thrillerkino sprechen.

Zumal Canet sich eh redlich bemüht, seinen Film zu einem originelleren Vertreter des Genres zu machen, ob französisch oder amerikanisch ist dann eigentlich egal. Sein eher reduzierter, nüchterner Inszenierungsstil ist auf jeden Fall europäisch geprägt, die vollkommen überkonstruierte Geschichte dann definitiv das Werk eines Amerikaners, was insgesamt aber eine noch sehr gut funktionierende, homogene Mischung ergibt.

Darin bekommt der Kinderarzt Alexandre Beck acht Jahre, nachdem seine Frau ermordet wurde, seltsame Hinweise darauf, dass sie doch noch leben könnte. Als er versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, wird plötzlich alles, was er bezüglich des Schicksal seiner Frau zu wissen glaubte, immer mehr in Frage gestellt.

Und dieses Buddeln in der Vergangenheit ruft natürlich auch andere davon Betroffene auf den Plan, wodurch der Kinderarzt plötzlich zum Gejagten wird und zwischen diversen Fronten steht, wie das in einem guten Thriller halt so ist.

Trotz der gut zwei Stunden Lauflänge muss man KEIN STERBENSWORT aber zugute halten, dass es ihm gelingt, den Zuschauer wirklich bis ganz zum Schluss darüber im Unklaren zu lassen, was tatsächlich hinter dieser Geschichte steckt und dabei auch noch die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen.

Sicherlich gibt es visuell stilvoller inszenierte Filme als KEIN STERBENSWORT, und der Einsatz von komischen Popsongs funktioniert leider überhaupt nicht, das hat ein Michael Mann wirklich besser drauf.

Aber dafür durchzieht die Geschichte ein interessantes Pulp-Feeling, wenn der Durchschnittsbürger mit den Niederungen der Gesellschaft konfrontiert wird, ebenso wie ein Sinn für Hitchcock'sche Verwirrungsmomente.

Glaubwürdigkeit wird auch hier nicht großgeschrieben, aber KEIN STERBENSWORT wirkt zumindest ansatzweise realistischer als viele amerikanische Genre-Vertreter, denn Canets Hauptfigur - François Cluzet, der fast ein wenig an Dustin Hoffman in MARATHON MAN erinnert - mutiert nicht zum unbesiegbaren Action-Superhelden, sondern bleibt der an sich gutmütige Durchschnittsbürger, der zum Spielball fremder Mächte wird und dabei versucht nicht unterzugehen.

Allerdings ist die Auflösung von KEIN STERBENSWORT leider so extrem, dass es einem schwer fallen wird, ihn häufiger als einmal anzusehen. Spannend und atmosphärisch ist er auf jeden Fall, zumal man in den letzten Jahren wirklich genug weniger überzeugende und ernstzunehmende Filme dieser Art ertragen musste.

Extrem ärgerlich ist bei der gerade erschienenen deutschen DVD, dass zwar der französische Originalton vorhanden ist, der aber nicht untertitelt wurde, da hätte man ihn auch gleich weglassen können, dafür ist die deutsche Synchro wenigstens halbwegs akzeptabel.