DIE! ODER WIR #2-5

Karl Nagel

So, das war’s. Im September ist die letzte Nummer von DIE! ODER WIR vom Band gerollt. Karl Nagel hat keine Lust mehr und widmet sich verstärkt seinen anderen Projekten, zum Beispiel dem „Idiotenklavier“ und der BAD BRAINS-Party-Combo KEIN HASS DA.

Schade eigentlich, denn die DOW-Hefte sind oder waren in der Comc-Zine-Landschaft schon eine ganz eigene Nummer. Formattechnisch ist man mit der Anlehnung an Gossenblätter wie Bild und Co.

ganz weit vorne und nichts anderes als Schund, Schund und noch mal Schund haben Nagel und seine Crew immer versprochen.Wenn schon Schund angepriesen wird, dann darf dieser auch ruhig wie das große VorBild auf Zeitungspapier gedruckt werden.

Die Storys, die Mr. Nagel mit einem A-Team von Zeichnern ziemlich eindrucksvoll umsetzt, sind allesamt schon recht harter Stoff. Inhaltlich wird jede Menge Gift und Galle auf die ganze Welt und den Horror unserer Gesellschaft gekotzt.

Wenn ich so als Geburtsoptimist nur DOW als Informationsquelle zur Außenwelt hätte, dann wäre mein Menschenbild schon lang über den Jordan gegangen. Egal welches der vier Hefte man nimmt, keine Geschichte geht wirklich gut aus und auch grafisch wird man nicht mit süßen Kulleraugen-Mangas konfrontiert.

Neben den eigentlichen Geschichten finden sich immer wieder grafische Umsetzungen von BAD BRAINS-Texten und kurze Auftritte vom (fiktiven?) DIE! ODER WIR-Verleger-Ekel Mr. Schundhöker. Lesenswert sind diese vier Hefte allemal und wer kann, sollte sich noch schnell eins zulegen, nicht nur aus purer Sammlerwut.

DOW #2 erschien schon im August 2009. „Spätrömische Dekadenz“ wird auf dem Cover offeriert, drinnen geht’s um den Zerfall glücklicher Familien, um materiellen Wahn, der mit Sex bezahlt wird, und eine drastische Hausbesetzerstory gibt’s auch noch dazu.

DOW #3 startet mit einer recht Emo-mäßigen Selbstmordgeschichte, in der die Autoaggression dann aber doch noch auf die wahren Böslinge gewendet wird – vielleicht doch das einzige Mal, dass so was wie ein glückliches Ende aus der Geschichte rausspringt.

„Jennifer brennt“ bringt den Blick in asoziale deutsche Familienverhältnisse: vernachlässigtes und misshandeltes Kind befreit sich aus seinem Knastzimmer und zündet seine schlafenden Eltern an.

Im „Wintermärchen“ löst ein genervter Ehemann mal die ganzen Vorhaltungen ein, die seine Frau ihm jeden Tag macht – allerdings auf seine Weise und nicht unbedingt zu ihrem Besten. DOW #4 ist meiner Meinung nach das beste Heft der Reihe.

Liegt vielleicht daran, dass diesmal alle Geschichten sehr gut sind, sowohl inhaltlich wie auch grafisch. Dass Amerika in bestimmten kleinbürgerlichen Milieus immer noch das ultimative Land der Träume sein kann, zeigt die Story vom Metzger, der alles dafür tut, um einmal über den großen Teich zu fliegen.

Ob er wirklich ankommt, lassen wir hier mal offen. Wie der Kampf um Benzin ganz real aussehen könnte, wenn die Ölvorräte wirklich knapp werden, zeigt dagegen „Triumph des Willens“. Zum Abschluss gibt mit der „Geburtstagsüberraschung“ noch eine gelungene Version des Unterschichten-Gatecrashings auf einer Luxusparty.

Eigentlich nur die konsequente Fortführung dessen, was man früher selbst mit seiner Punk-Clique veranstaltet hat. DOW #5 ist quasi Nagels Abschlussarbeit. „Unterm Strich“ startet mit drei Skatkumpels, die sich durch ihre Paranoia und den Glauben an billige Stammtischparolen ins Unglück stürzen.

Sehr schön-traurig ist „Auf der Suche nach dem Glück“ – das könnte man böswillig auch als Statement gegen den ganzen Tattoo-Hype und Gruppenzwang in der ach so coolen Punk-Szene sehen. „Fleischwolf“ ist dagegen die bitterböse Geschichte eines illegalen Einwanderers, den es unglücklicherweise in eine deutsche Kleingartensiedlung verschlägt.

Ein Happy End findet – na so ein Zufall – auch hier nicht statt.