EIN ZOO IM WINTER

Jiro Taniguchi

Seit Ende Mai läuft mit „Vertraute Fremde“ eine Realverfilmung von Jiro Taniguchis gleichnamiger Graphic Novel bei uns in den Kinos, kein schlechter Zeitpunkt, um sich mal mit dem Werk des Japaners auseinanderzusetzen.

Mit EIN ZOO IM WINTER ist inzwischen bereits der sechste Band dieses Veteranen der japanischen Comic-Szene bei Carlsen erschienen, der im Original 2008 entstand. Carlsen vermeidet es dabei tunlichst, diesen in ihrer Manga-Abteilung zu listen und benutzt stattdessen lieber das beliebte Etikett „Graphic Novel“, denn mit irgendwelchen glubschäugigen Fantasiewesen in Matrosenklamotten haben Taniguchis Geschichten wirklich nichts gemein.

Um einen Manga klassischer Prägung handelt es sich dennoch, denn die stilistischen Vorgaben eines Osamu Tezuka sind hier immer noch zu erkennen, die ja bei ihm vor allem in den Siebzigern um einiges realistischer waren, als uns heutige Mangas weismachen wollen.

Und so zeigt Taniguchi gerade bei der Umsetzung von Landschaft und Architektur eine beeindruckende Detailtreue und Räumlichkeit, die einen lebendigen Eindruck vom Japan der Sechziger erzeugt.

Normalerweise mache ich um solch eher öden autobiografisch inspirierten Geschichten nach Möglichkeit eine großen Bogen, aber manchmal muss man sich einfach mal auf so was einlassen und wird wie in diesem Fall sehr angenehm überrascht.

Denn EIN ZOO IM WINTER entpuppt sich als ungemein warmherzige, sehr menschliche Geschichte – fast schon etwas zu banal –, in der es um die ersten Schritte eines jungen Mannes namens Hamaguchi in der Berufswelt geht, der zuerst in einer Textilfabrik in Kyoto angestellt ist, wo aber sein kreatives Potential ungenützt bleibt, und der schließlich nach Tokyo zieht, um dort als Assistent eines erfolgreichen Comic-Zeichners zu arbeiten.

Dabei geht es Taniguchi vor allem um die zwischenmenschlichen Aspekte von Hamaguchis zum Teil äußerst dramatischen Erlebnissen, der immer wieder auf neue Menschen trifft, die seine persönliche Entwicklung beeinflussen.

Zuletzt ein schwerkrankes junges Mädchen, dem Hamaguchi durch einen befreundeten Künstler seines Chefs eher zufällig begegnet, was EIN ZOO IM WINTER gegen Ende noch eine sehr tragische, emotionale Wendung gibt.

Ähnlich offen, wie Taniguchis Comic beginnt, endet er dann auch, eine zwei Jahre umfassende Momentaufnahme der Biografie eines ganz und gar nicht eindimensional wirkenden Menschen, festgehalten in sehr schön umgesetzten Schwarzweiß-Bildern, womit sich der Japaner nicht nur als hervorragender Stilist empfiehlt, sondern auch als toller Geschichtenerzähler, der den Leser mit feinem Humor und viel Poesie zu fesseln weiß, worauf Herr Maiwald an dieser Stelle bereits hingewiesen hatte.