Schnell arbeitet Jello Biafra nicht – aber dafür gründlich. Der Mann ist Perfektionist und detailversessen, geht immer sehr überlegt vor. Und deshalb hat es eben beinahe vier Jahre gedauert, bis der Nachfolger von „The Audacity Of Hype“ (2009) erschienen ist, aber zwischendurch gab es auch zwei EPs.
Ich bin froh, dass Biafra nach vielen Jahren als „heimatloser“ Texter, Sänger und Songwriter ohne eigene Band, in denen er immer darauf angewiesen war, dass Begleitbands wie etwa die MELVINS Zeit für ihn hatten, nun einen kontinuierlich verfügbaren „Kanal“ für seinen kreativen Output gefunden hat.
Biafra ist ein Dauerkreativer, dessen Hirn permanent auf Hochtouren läuft, der Myriaden von Ideen für Texte, Songs und Artworks erfasst und archiviert, der Platten machen muss, der auf Bühnen stehen will, um den Menschen zu erzählen, was ihn umtreibt, aufregt, was die Welt zu zerstören droht.
Biafra ist ein wandelndes Wikipedia, wenn es um Details zu Handlungen der US-Regierungen der letzten vierzig Jahre geht, er saugt alle Information in Sachen Weltwirtschafts- und Bankenkrise auf – und er ist darauf angewiesen, sein Wissen mit einem neuen Album unter die Menschen zu bringen, sonst würde ihm wohl der Kopf platzen.
Das grundlegende Thema von „White People And The Damage Done“ ist also klar, und selten ist einem die Notwendigkeit der Veröffentlichung physischer Tonträger klarer geworden als hier: selbst der CD-Version liegt ein 50 x 50 cm großes Faltposter bei, das Biafra in der seit DEAD KENNEDYS-Zeiten gepflegten Collagentechnik gestaltet hat: in klassischer Cut&Paste-Technik – so, wie man früher eben Fanzines gemacht hat, mit Schere, Papier und Klebstoff.
Zwischen den Texten finden sich unzählige Zeitungsschnipsel –Karikaturen, Fotos, Schlagzeilen, Textausrisse –, die den Wahnsinn der Welt dokumentieren und einst wohl jeden jugendlichen DEAD KENNEDYS-Fan stundenlang beschäftigt haben.
So was auf dem Bildschirm anschauen? Vergiss es ... Musikalisch setzt Biafra mit THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE den vor Jahren eingeschlagenen Kurs fort: markantestes Stilmittel ist und bleibt Jellos Stimme, und seine Mitstreiter Ralph Spight, Kimo Ball, Andrew Weiss und Paul Della Pelle liefern den druckvollen Sound dazu, der in gewisser Weise und bedingt durch Jellos songwriterische Vorgaben immer wieder Erinnerungen an die DEAD KENNEDYS wachruft.
Allerdings, und diese Kritik muss erlaubt sein: wirklich herausragende Hits, von denen die DEAD KENNEDYS einige hatten, sucht man in Biafras Spätwerk vergebens – es ist hier der Gesamteindruck, der überzeugt.
Zehn Songs enthält das Album (die LP) regulär, als Bonus gibt es auf der CD noch vier gelungene Remix-Versionen. Und ein nettes Detail am Rande: unter dem CD-Tray gibt’s eine Karte von ...
Biafra! (Diese Band war auf der Ox-CD 107 zu hören)
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