Mögen mich die harten THIN LIZZY- und Phil Lynnott-Fans auch verfluchen dafür: Auf die Frage, welches Album der irischen Rock-Heroen man besitzen muss, gibt es nur eine Antwort: „Jailbreak“. Klar, wenn man sich zum devoten Fan entwickelt hat, wird man auch die fünf Scheiben davor (als die Band ihren Trademark-Rocksound erst noch entwickeln musste; all diese Alben waren seinerzeit von weitgehender Erfolglosigkeit geschlagen) und die sechs danach besitzen müssen, doch „Jailbreak“ (wie der Nachfolger „Johnny The Fox“ 1976 veröffentlicht) ist eine dieser paar makellosen Rockscheiben, die sich von anderen Alben dadurch unterscheiden, dass fast jeder Song ein Klassiker ist, ein Hit, und man nicht wie bei so vielen anderen Bands pro Album maximal einen Kandidaten für ein Best-Of-Album findet.
Die Band um den krausköpfigen, dunkelhäutigen, schnauzbärtigen Phil Lynnott (seine Mutter war Irin, sein Vater Afro-Guyaner) schien hier alles auf eine Karte setzen zu wollen, mit dem grandiosen „Jailbreak“ als Opener, „Running back“ an dritter, „Romeo and the lonely girl“ an vierter Stelle, „Warriors“ direkt danach, dann das phänomenale „The boys are back in town“ (Opener der LP-B-Seite), dem hymnischen „Cowboy song“ und zum Schluß „Emerald“.
Mag „The boys ...“ auch manchem als endlos durchgenudelte Classic-Rock-Nummer so verheizt vorkommen wie THIN LIZZYs anderer Hit, das Cover „Whiskey in the jar“, so ist die Nummer doch bei genauerer Betrachtung bei jedem erneuten Durchlauf einfach nur von zeitloser, unkaputtbarer Klasse.
„Jailbreak“ mit dem markanten Comic-Artwork ist eine jener Über-Platten der Rockmusikgeschichte, unerreichbar sogar für die Band selbst, die im gleichen Jahr noch „Johnny The Fox“ nachschob.
Eine solide Leistung, aber im direkten Vergleich mit „Jailbreak“ erheblich schwächer. Beide Alben wurden nun Anfang 2011 neu aufgelegt, als dicke Deluxe-Digipaks mit ausführlichem Booklet, mit dem remasterten Original-Album auf der einen CD und diversen Bonustracks auf der anderen.
In Ergänzung dazu erschien in gleicher Aufmachung, aber noch mit einer Extra-DVD, die Neuauflage von „Live And Dangerous“ von 1978, dem 1977 in Philadelphia, London und Toronto aufgenommen Live-Album, das sich vor allem aus den Songs von „Jailbreak“, „Johnny The Fox“ und „Bad Reputation“ (1977) speiste und von dem Produzent Tony Visconti behauptet, es sei zu 75% im Studio eingespielt worden – in den Linernotes im Booklet wird auf diese Kontroverse eingegangen, weniger beeindruckend ist das Album deshalb nicht. Auch hier gilt aber: Als Einstieg ins THIN LIZZY-Universum sollte jenseits einer Best-Of-Zusammenstellung „Jailbreak“ dienen.
Gut zu sehen, dass so aufwendige Katalogpflege noch betrieben wird – Musik ist viel zu schade, um sie als mp3-Wegwerfware zu behandeln, und keine PDF-Datei wird je ein schönes Booklet ersetzen können.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Joachim Hiller
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