Irgendwas muss bis Ende 1992 vorgefallen sein, aber ab 1993 waren die guten alten HEADCOATS nicht mehr dieselben. Der Sound, vorher angenehm spleeniger Rhythm’n’Blues mit Garage-Punk- und Beat-Fundament, hatte sich auf einen Schlag zu einer lieblosen, uncharmanten Punk-Pastiche verändert, plötzlich waren JOHNNY MOPED und ALTERNATIVE TV wichtiger als die KINKS und Bo Diddley. Die Band um den später enorm einflussreichen Trash-Titanen Billy Childish (vormals bei den POP RIVETS, MILKSHAKES und danach bei THEE MIGHTY CAESARS) fand 1989 zusammen. Childish und der ehemalige MILKSHAKES-Drummer Bruce Brand teilten damals die Verehrung für die englische R&B/Beat-Band DOWNLINERS SECT, deren rotzigen Sound die HEADCOATS schamlos adaptierten. Und nicht nur diesen, auch ein wichtiges modisches Accessoire der Sect übernahmen sie: den Deerstalker-Hut, eine im 19. Jahrhundert beliebte britische Jagdmütze, die vor allem durch Sherlock Holmes populär gemacht wurde, und die Childish und Co. fortan einfach „Headcoat“ nannten. Daher also der Name (mehr dazu im Interview). In der Zeit ihrer Existenz (1989-2000) feuerten die HEADCOATS, wie es bei Childish-Bands immer Usus war, aus allen Rohren, 20 LPs und 44 Singles/EPs listet die Sammler-Plattform Discogs. Mit einem gefeierten Auftritt im Londoner Dirty Water Club fand das erste Kapitel dann einen würdigen Abschluss. Es folgte eine 22-jährige Trennung, erst 2022 spielten die drei wieder zusammen. Zunächst kam es zu einer Single für Squoodge Records, „Cops & Robbers“ (eine Diddley-Nummer, auch im Repertoire der Downliners), und eine HEADCOATS SECT-EP mit Original-Downliners-Bassist Keith Grant als Tribut an den 2022 verstorbenen Don Craine. Und nun also das neue, 21. Album: „Irregularis (The Great Hiatus)“ macht schon im Titel einige Anspielungen; „Baker Street Irregulars“ nennt sich der älteste Sherlock Holmes-Fanclub Englands, „Hiatus“ spielt auf die lange Auszeit der HEADCOATS an. Erfreulicherweise hat das Reunion-Album aber genau den Charme der frühen „Coats“, Johnny „Tub“ Johnson und seine Mundharmonika haben wieder mehr Anteile, „Thee English Gentlemen of Rock’n’Roll“ sind wieder zurück, und das mit Spaß an der Freude und in absoluter Topform. Gleich der Opener zitiert die Sect, „Full time plagiarist“ mit KINKS-Riffs ist eine gesungene Anklageschrift an Eric Clapton, von Damaged Goods als Split-Single mit CTMF veröffentlicht. Mit „The leader of the sect“ sowie „One ugly child“ geht ein weiterer Gruß an die Downliners raus. Bei „Tub’s help out“, einem Bo Diddley-Cover, wechselt Johnny an die Gitarre, und das bluesige Instro „7% solution“ ist als Version mit Orgel auf dem GUY HAMPER TRIO-Album zu hören gewesen. Die 2023er HEADCOATS machen mit dem neuen Album alles richtig, schön, dass sie wieder in solch ansteckender Spielfreude zusammengekommen sind und sich auf die gute alte Tugend der „Headcoatitude“ besonnen haben.
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