Ich gebe zu, beim Thema Manga habe ich böse Vorurteile: Heidi-Kulleraugen nerven mich kollosal. Entsprechend nicht existent ist mein bisheriger Kontakt mit japanischen Comics. Ob man einen Comic allerdings allein wegen seiner Herkunft aus Japan und der – für mich ungewohnten – Leseweise von „hinten nach vorne“, von rechts nach links als Manga bezeichnen muss, ist Definitionssache. Fakt: außer der Leserichtung unterscheidet diese Graphic Novel nichts von einer mit anderer Leserichtung – auch nicht die Form der Augen ... In fein schraffierten Schwarzweiß-Bildern nimmt sich Gou Tanabe auf fast 300 Seiten die erste Hälfte von H.P. Lovecrafts „At the Mountains of Madness“ vor, seine zweite Annäherung an den ideologisch nicht unumstrittenen, aber immer noch faszinierenden US-amerikanischen König der Horrorgeschichte, der auf den Spuren von Edgar Allan Poe seinen Phantasien freien Lauf ließ. 2004 hatte er bereits Lovecrafts „Der Außenseiter“ adaptiert. Nah dran am Original und damit auch in der Darstellung der Technik, der Kleidung etc. dem Entstehungsjahr 1930 verpflichtet, setzt Tanabe in düsteren, bisweilen auch suggestiven Bildern (etwa was die Landschaften betrifft) die auch in dieser Darstellungsform bei mir Gänsehaut auslösenden Geschichte einer Antarktis-Expedition um. Diese macht sich unter der Führung des Geologen und Ich-Erzählers William Dyer auf, um bei einer vorherigen Erkundung entdeckten Spuren einer offensichtlich prähistorischen Zivilisation nachzugehen ...Was folgt, ist archetypischer Horrorstoff, das Spiel mit der Angst vor dem Unbekannten, und Tanabe hat das bildgewaltig, eindrücklich und erzählerisch schlüssig umgesetzt. Ich bin heiß auf Band 2!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #152 Oktober/November 2020 und Joachim Hiller