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NILS DAMAGE

Hotzenplotz

In Ox #38 vom März 2000 (nachzulesen auf der Ox-Website) findet sich eine Reportage von Stefan Moutty, der damals nach Oldenburg gefahren war, um zu erkunden, wer dieser Nils Damage eigentlich ist, der seinerzeit die LoFi-Punkrock-Szene unter anderem mit SUPERHELICOPTER aufmischte. Eine lesenswerte Lobhudelei war der Artikel, der „Budget Rock’n’Roll“ seit Mitte der Neunziger und nicht nur, aber auch wegen Crypt Records ein in eingeweihten Kreisen gefeiertes Genre. Nils Damage mischte da seit 1994 und bis 2016 mit, als SUPERHELICOPTER (LTD.), als THE DAMNATION KIDS, als THE SPAMCHORDS, als THE GOTHIEFS, dokumentiert auf zig Kleinformaten auf DIY-Labels von überall. Markenzeichen immer: brachialer Gitarrensound, wildes Geschrei, hektisches Schlagzeug-Gehämmer, und das alles in LoFi. Irgendwann verstummte Nils dann, vielleicht kannten gute Freunde den Grund, viele andere aber werden kaum gemerkt haben, dass da eine musikalische Stimme verschwunden war. Nils hatte sich, so erfährt man in den Linernotes (Warum nur diese unleserliche Schrift?!), aus dem Musikerleben zurückgezogen, und ich tue mich schwer, diese natürlich völlig privaten, persönlichen Gründe zu verstehen, die sein Wegbegleiter Hillu darlegt: der Familienvater Nils hatte die Gitarre beiseite gelegt und interessierte sich fortan mehr für Meditation, Buddhismus und Anthroposophie und schloss sich einer christlichen Gemeinde an. Am 11. Dezember 2019 ist Nils dann gestorben – und wohl niemand aus seiner früheren (Punkrock-)Gemeinde erfuhr von seinem Tod. Erst mit langer Verspätung konnten so Manuel Wastl, der einst das Label von SUPERHELICOPTER war, sowie René Seim von Head Perfume Records reagieren und sich um eine posthume Würdigung des musikalischen Schaffens von Nils Damage kümmern, ihn so quasi ein letztes Mal auf die (virtuelle) Bühne holen. Sie versammelten dafür über zwanzig Songs erwähnter Bands, die alle nie zuvor auf Vinyl erschienen waren, und ergänzten sie um ausführliche Linernotes. Ein letzter Freundschaftsdienst, eine Würdigung – ohne Happy End.