Geschmäcker sind verschieden, und man kann sich auch vortrefflich darüber streiten, das weiß ein jedes Kind. Es gibt da zum Beispiel Musikstile, bei denen der Grad zwischen ganz groß und abgrundtief schlecht verdammt schmal ist.
Ich pflege das immer anhand zweier Bands festzumachen - den NOMAD RIDERS und der HELGA BLOHM DYNASTIE. Erstere, Gott sei Dank letztes Jahr aufgelöst, wussten stets mit ihrem dauerbesoffenen Sänger zu nerven.
Das war zwar wohl live viel mehr als auf Platte, allerdings hat deshalb auch nie eine Scheibe von denen den Weg unter meine Nadel gefunden. Letztere, lebendiger denn je, da gleich mit zwei neuen Scheiben am Start, haben mir dagegen aber immer Spaß gemacht.
Und beide wildern in denselben musikalischen Gefilden. Nennen wir es Neu-Folk - um es nicht mit Neo-Folk, womit das Ganze nahezu nix am Hut hat, zu verwechseln. International erlebt derlei experimentelle, simple Wurzelmusik ja gerade durch Künstler wie Ariel Pink, Panda Bear, Devendra Banhart oder Conor Oberst ein Hoch, doch auch national zeigen sich solch seltsame Stilblüten wie beispielsweise die HELGA BLOHM DYNASTIE aus Berlin.
Das Trio, bestehend aus Tobias Werner (Ex-AMBUSH/HITLER), Uwe Gerstenberger (Ex-DMB) und Oliver Röhrig (Ex-NOT THE SAME) ist schon ein gar skurriles Häufchen - nicht gerade begnadeter Instrumentalisten, allerdings fantastischer Songschreiber.
Im Ernst, diese Stücke sind wirklich ganz großartig. Wenn die Herren dazu noch ihre Instrumente ein wenig besser beherrschen würden, die Umsetzung nicht bisweilen so erzwungen bemüht klingen würde und auch der Sound etwas mehr Volumen hätte, dann könnten die das große Ding werden.
So aber brechen sie allerdings wohl eher nie aus ihrem ureigenen Underground zwischen Prenzlberg und Connewitz aus. Und man muss auch feststellen, dass das ganz okay so ist, denn genau das macht diese Band so liebenswert.
Derlei Musik gehört nicht auf MTV oder ins Radionachmittagsprogramm (auch wenn die drei mit ihren seltsam morbiden Texten und ihrem Versehrtenhumor da sicher gern hin möchten, schon allein, um alle zu verarschen), sondern in die schäbige Eckkneipe mit rauchschwangerer Luft und Skat dreschenden Aussteigertypen.
Kein Wunder, dass sie sich einst nach einer derartigen Lokalität benannten ("Helga Blohm" ist eine Kneipe in Cottbus). Wie gesagt, der Grad zwischen Gold und Scheiße ist schmal, und wenn auch andere Reviewer (siehe Bildschnipsel auf der Bandwebsite) der Kapelle die nervtötendste Katzenmusik ever attestieren, so kann ich dem gar nicht beipflichten.
Stücke wie das großartige "Icecream" sind noch nie da gewesene Ohrwürmer, ganz abgesehen von den psychedelischen, krautrockigen Klangteppichen, oder aber den ureigenen Swamp Blues- und DOO RAG-Anleihen.
Lagerfeuermusik gehobenen Niveaus mit kleineren Schwächen in der technischen Umsetzung, die man aber schnell zu verzeihen weiß, wenn man sich erstmal von Tobi hat erklären lassen, auf welcher Droge man am Besten musiziert.
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