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HEARTLESS

1990 hatte Philip Ridley mit THE REFLECTING SKIN (SCHREI IN DER STILLE) eine höchst bemerkenswerte Mischung aus Horror- und Arthouse-Film gedreht, in dem ein kleiner Junge im amerikanischen Hinterland in den Fünfzigern seine Nachbarin für eine Vampirin hält.

Eine bizarre, wunderschön bebilderte „Coming of age“-Geschichte, bei der Vergleiche mit Lynch natürlich auf der Hand lagen, insofern natürlich kein Film für die breite Masse. Ähnlich wie dann fünf Jahre später auch THE PASSION OF DARKLY NOON, mit einem noch recht unbekannten Brendan Fraser in der Hauptrolle und erneut mit Viggo Mortensen.

Das Publikum dankte Ridley sein Bemühen um Originalität (das auch in seinem Drehbuch für THE KRAYS von 1990 gut zur Geltung kam) natürlich mal wieder nicht, weshalb sich der Brite überwiegend aus dem Filmgeschäft zurückzog und sich weitaus erfolgreicher der Malerei und dem Schreiben von Theaterstücken und Büchern widmete.

Insofern überraschend, dass er 14 Jahre nach THE PASSION OF DARKLY NOON für HEARTLESS doch noch mal auf dem Regiestuhl Platz nahm, um erneut einen Film zu drehen, der nicht gerade Massenappeal besitzt.

Eine Art modernisierte „Faust“-Geschichte, angesiedelt in den weniger schicken Gegenden Londons, wo unter den Kapuzen irgendwelcher Molotowcocktails schwingender Straßengang-Kids plötzlich eine Dämonenfratze hervorlugt.

Visuell zeigt sich auch hier Ridleys Gespür für ungewöhnliche, leicht überästhetisierte Bilder, die hier einen irritierenden Kontrast schaffen zwischen der irrealen inhaltlichen Horror/Mystery/Fantasy-Ebene und einem eher nüchtern-realistischen Blick auf die heruntergekommenen englischen Arbeitersiedlungen.

Im Mittelpunkt steht der durch ein Feuermal im Gesicht (man fühlt sich etwas an eine der Figuren aus der Cliver Barker Verfilmung DREAD erinnert) zum Außenseiterdasein verdammte Jamie (Jim Sturgess), der als Photograph arbeitet, und nach einer Reihe mysteriöser Vorkommnisse auf einen gewissen Papa B (der auch den Namen Louis Cyphre tragen könnte) trifft, der ihn von seiner entstellenden Hautveränderung befreien kann.

Und kurz darauf klappt es dann auch mit der großen Liebe, in Gestalt von Tia (die süße Clémence Poésy aus IN BRUGES), der mit Abstand schwächste und albernste Part der Story. Solche Deals haben natürlich immer einen Haken, was Jamie schnell auf schmerzhafte Weise feststellen muss, denn dessen Zahltag steht eher an, als gedacht.

Blieben Ridleys zwei anderen Filme durchweg mysteriös, leidet HEARTLESS nach einem starken Anfang darunter, dass er irgendwie Sinn in eine Geschichte bringen will, die nicht allzu viel Sinn ergibt.

Dabei taugt HEARTLESS weder als reinrassiger Genrefilm noch als kopflastiges Spiel mit den Konventionen des Horrorkinos. Wer 14 Jahre darauf gewartet hat, dass Ridley mal wieder einen Film dreht, muss HEARTLESS als große Enttäuschung empfinden, auch wenn man ihm zugute halten muss, dass er zumindest versucht hat, irgendwie anders und originell zu sein. Was bleibt, sind interessante darstellerische Leistungen und schöne, atmosphärisch düstere Bildkompositionen, die sehr gelungen ein Gefühl von Paranoia und Klaustrophobie vermitteln, allerdings auch nicht völlig kaschieren können, dass HEARTLESS cleverer sein will, als er eigentlich ist, und damit eine Bauchlandung hinlegt, was seine generelle Glaubwürdigkeit angeht.

Und man sich fragt, ob Ridley das jetzt wirklich alles ernst meint, oder nur ein bisschen das typische Horrorpublikum mit seinem symbolschwangeren Kunstanspruch verkohlen wollte. Als Fan von Ridleys früherem Schaffen habe ich es nicht bereut, HEARTLESS angeschaut zu haben, nur fällt es schwer, ihn als wirklich guten Film anzupreisen, eher mal als interessanten Fehltritt eines ansonsten versierten Künstlers.

Man würde es sich danach fast mehr wünschen, dass endlich mal gescheite DVDs von THE REFLECTING SKIN und THE PASSION OF DARKLY NOON erscheinen, denn was da bisher international kursiert, ist alles andere als optimal oder nicht mehr erhältlich.

HEARTLESS ist seit Januar auf DVD erhältlich, mit einer überschaubaren Anzahl an Extras wie einem Audiokommentar des Regisseurs, erstaunlicherweise mit einem roten FSK-Siegel versehen, was vielleicht doch etwas übertrieben ist.