Seit Ende der 60er ist der 1936 in L.A. geborene Harold Budd ein nicht mehr wegzudenkender Name im Bereich minimalistischer Avantgarde-Musik, zumal Budd auch immer wieder durch Kollaborationen mit Leuten wie Robin Guthrie von den COCTEAU TWINS, Andy Partridge von XTC oder Brian Eno - auf dessen Label EG er auch zuerst Ende der 70er Platten veröffentlichte - die Verbindung zu weniger akademisch geprägten Musikwelten herstellen konnte, allerdings diesen Platten auch deutlich seinen Stempel aufdrückte.
Minimalistische Elektronikmusik prägte von jeher die Arbeiten von Budd, man könnte auch Ambient dazu sagen, wobei man es hier nicht mit trivialem Esoterik-Gewaber zu tun hatte, sondern einer durchkomponierten Form von Neo-Klassik.
Mit "Avalon Sutra/As Long As I Can Hold My Breath" erschien bereits letztes Jahr auf David Sylvians Label Samadhisound seine bisher nur als Import erhältliche finale Platte, denn Budd hat das Komponieren quasi an den Nagel gehängt.
Auf der einen CD findet man 14 einzelne Stücke, auf der zweiten eine 70-minütige Version von "As long as I can hold my breath", dem letzten Track der ersten Disc. Was Sylvian dazu bewogen hat, Budds Platte zu veröffentlichen, liegt auf der Hand, wenn man dessen beiden Platten mit Holger Czukay kennt, seine eher experimentellen Solo-Arbeiten oder auch die zweite, instrumentale Seite des "Gone To Earth"-Albums, wo sich ähnliche minimalistische Ambient-Strukturen finden lassen.
Auf "Avalon Sutra" hat Budd zusammen mit dem Saxophonisten Jon Gibson, einem Streicherquartett oder auch nur solo Musik eingespielt, die man nur schwerlich als Songs im herkömmlichen Sinne bezeichnen kann.
Es handelt sich eher um impressionistische Kompositionen, gleichermaßen mysteriös, poetisch, melodisch und voller Spiritualität, die um Momente der Stille arrangiert sind, und wo Pianoklänge oder andere Instrumente tatsächlich wie Farbe auf eine Leinwand aufgetupft werden und eine fast hypnotische Anziehungskraft erreichen.
Eine Arbeitsweise, die die volle Aufmerksamkeit und Geduld des Zuhörers erfordert, erst dann entfaltet sich ein erstaunliches musikalisches Universum, das trotz seiner minimalistischen Strukturen vollkommen den Raum ausfüllt und neben dem kaum noch Platz für etwas anderes ist.
"Avalon Sutra" ist das Werk eines wirklich beeindruckenden Komponisten, das seine Intensität und Atmosphäre in extremer reduzierter Form erreicht. Über den Remix von "As long as I can hold my breath" durch Akira Rabelais kann man dann geteilter Meinung sein, denn die sich über 70 Minuten wiederholenden Strukturen sind deutlich monotoner und weniger melodisch, zumal die Momente der Stille bei Budd hier mit elektronischem Noise aufgefüllt wurden, was das Ganze deutlich anstrengender werden lässt, auch wenn der Track unter handwerklichen Gesichtspunkten ebenfalls sehr gut ist.
Nicht überflüssig also, aber auch nicht unbedingt notwendig, denn schon mit "Avalon Sutra" allein kann Budd seinen Stellenwert in diesem musikalischen Genre deutlich untermauern. Wahrscheinlich kann man seine Karriere besser mit so einer gelungenen Platte beenden, als dass einen die Leute irgendwann von der Bühne prügeln.
(09/10)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Thomas Kerpen