Meine These: Punk (und Hardcore) waren schon immer, speziell aber seit den Achtzi- gern, ein Genre, das freidenkende, kreative, wache, intellektuell interessierte Menschen angezogen und textlich wie generell progressive Inhalte aufbereitet und verbreitet hat. Das führte in einem höheren Maße als etwa bei Rap, Techno, R&B oder Classic Rock zu einem Überlappen und Überschwappen in den Wissenschaftsbetrieb seitens der in der Szene Aktiven. Entsprechend höher ist die Anzahl von Forschenden und Veröffentlichenden im Bereich der Kulturwissenschaften mit einem entsprechenden Szene-Hintergrund, speziell in den letzten zehn, zwanzig Jahren. So gibt es eine ganze Weile schon das weltweite Punk Scholars Network, und mit „Hardcore Research: Punk, Practice, Politics“ haben nun Konstantin Butz und Robert A. Winkler so etwas wie eine Übersicht über den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs in Bezug auf „unsere“ Musik veröffentlicht. Winkler lehrt in Salzburg und veröffentlichte seine Dissertation 2019 zu „Race and gender in US hardcore“, Konstantin Butz lehrt in Köln und studierte Amerikanistik. Über 20 Autor:innen – zu den Bekannteren zählen Russ Bestley und David Ensminger – präsentieren hier (englischsprachige) Aufsät- ze zu verschiedensten Themenstellungen aus dem Punk/Hardcore-Kontext, und so interessant das grundsätzlich ist, so ist das eben kein Sach- und Lesebuch für die (Szene-)Allgemeinheit, sondern richtet sich in Sprache und Art der Darstellung an ein akademisches Publikum. Wer selbst in diesem Kontext studiert (hat) findet hier aber eine Menge spannende Ansätze – gerade weil die Texte von Szenemenschen verfasst wurden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #167 April/Mai 2023 und Joachim Hiller