Hans Platzgumer, der auch als Musiker (HP ZINKER, DIE GOLDENE ZITRONEN) kein Unbekannter ist, ist mit „Großes Spiel“ ein erschütternder Roman gelungen, der im Japan der 1910er und 20er Jahre angesiedelt ist. Als Kaiser Yoshihito 1912 den Thron bestieg, und damit die Taisho-Ära begründete (Taisho: „große Gerechtigkeit“), beginnen in Japan erstaunliche Dynamiken zu wirken, denen Platzgumer fundiert und in großer sprachlicher Klarheit nachspürt. Erzählt wird dies aus der Perspektive des Geheimpolizisten Hauptmann Amakasu, der als Teil des Staatsapparats mit einem Kaiser zu tun hat, der nicht länger die Rolle des gottgleichen Staatenlenkers ausfüllt. So beginnen Ideen wie Anarchie, Emanzipation, Sozialismus und Kollektivismus/Kommunismus die tradierten Lebensentwürfe – verkörpert etwa von Sakae Ôsugi und dessen Frau Itô – der japanischen Gesellschaft zu erschüttern. Wie die Staatsmacht schließlich das große Kantô-Erdbeben 1923 nutzt, um ihre Vorstellungen von Ordnung wiederherzustellen, ist brutal und unmenschlich. Das ist auch die historische Perspektive, denn das wiedererstarkte autoritäre Japan erfuhr seine Apokalypse im Menschheitsverbrechen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Platzgumer gelingen Szenen von schmerzhafter Intensität, wenn er beschreibt, wie Ôsugi, Itô und ein sie begleitendes Kind der (vermeintlichen) Staatsräson geopfert und schonungslos hingerichtet werden. Der Roman ist außerdem von erschreckender Aktualität, nicht nur in Bezug auf die Frage, was Macht alles tut, sondern auch in Hinsicht darauf, ob und wie gesellschaftliches Zusammenleben anders, „menschlicher“ organisiert werden könnte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #171 Dezember 2023/Januar 2024 2023 und Rainer Krispel