Auf Ritchie Records, dem quasi-hauseigenen Label des Freiburger Musikmailorders Flight 13, wurden „Schafott zum Fahrstuhl“ (Buback, 2001) und „Die Entstehung der Nacht“ (Buback, 2009) nach langer Nicht-Verfügbarkeit im Vinylformat in eben diesem wieder aufgelegt.
Das Artwork wurde von den Originalen übernommen, ein vierseitiges Booklet enthält jeweils die Texte, und weil man davon ausgehen kann, dass an dieser Band Interessierte gleich beide LPs kaufen, gibt’s als Bonus die 2008 erschienene Doppel-DVD-Doku „Material“ als Bonus – Teil 1 liegt „Schafott“ bei, Teil 2 „Nacht“.
Eine sehenswerte Doku mit vielen Interviews und viel Live-Material, auch aus frühen Tagen. Rückblickend ist „Schafott zum Fahrstuhl“ möglicherweise das beste Zitronen-Album der Neuzeit: Musikalisch überzeugend und zwingend durch einen mitreißenden Mix aus Indierock und Elektronischem, aus Beat und Druck, und songwriterisch und textlich immer wieder eine Wucht: „Flimmern“ ist für mich einer der besten Songs der Hamburger überhaupt, mit der legendären Textzeile „Wat solln die Nazis raus aus Deutschland, wat hät denn des für a Sinn / Die Nazis können doch net raus, denn hier gehörn se hin“.
Ebenso grandios: „Der Mann der mit der Luft schimpft“ von und mit Jens Rachut, die Peaches-Coop „Monster regieren diesen Planeten“ und „Auf dem Platz der leeren Versprechungen“. Lange hatte ich die Platte nicht mehr gehört, ein großer Fehler, weil: Klassiker! Auf „Schafott“ folgte 2006 „Lenin“, das nicht neu aufgelegt wurde, und 2009 dann „Die Entstehung der Nacht“, das zehnte Studioalbum.
Ich schrieb seinerzeit: Schorsch Kamerun und Ted Gaier als einzig verbliebene Gründungsmitglieder sind die personelle Konstante, ersterer mit seinen bissigen, analytischen, scharf beobachtenden Texten, letzterer an Bass und/oder Gitarre, und man spürt, dass hier mit jedem neuen Album, mit jedem Konzert ein Bedürfnis befriedigt wird – das, etwas mitzuteilen über die Welt, die Menschen, den Stand der Dinge.
Bemerkenswert an „Die Entstehung der Nacht“: „Beautiful people“ mit Michaela „Nico“ Melian, „Bloß weil ich friere“ (mal wieder einer jener Songs, deren Text nach Collage aus aufgeschnappten Gesprächsfetzen in Kreisen junger, cooler, erfolgreicher, kulturbeflissener Menschen klingt), das „Lied der Medienpartner“, und mein Hit: „Drop the stylist“ mit Mark Stewart von POP GROUP als Gastsänger.
Im direkten Vergleich bevorzuge ich den Vor-Vorgänger, weil die „Zitronen“ da noch schärfer waren.
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