Es ist ungefähr zwanzig Jahre her. Wir sind in Melbourne zu Besuch bei Dave Thomas (RIP) von BORED!, sitzen zum Frühstück in St. Kilda in einem Café, unterhalten uns. Irgendwann beugt sich Dave zu mir vor und raunt: „Der da gerade rausging, das war Rowland S. Howard.“ Ich verrenke den Kopf, sehe eine dürre schwarzgekleidete Gestalt um die Ecke biegen und sage was wie „Verdammt, warum hast du das nicht früher gesagt?“ Ich wäre wohl aufgestanden und hätte in sonst als uncool empfundener Fan-Manier dem Helden des australischen Düsterrock irgendwas erzählt in der Art von „Nice to meet you, and thanks for all the great music.“ Eine zweite Chance gab es nie, Howard starb am 30.12.2009 mit gerade mal fünfzig Jahren. Mit 16 begann er seine musikalische Karriere bei den YOUNG CHARLATANS, stieg dann bei THE BOYS NEXT DOOR ein, die sich bald in THE BIRTHDAY PARTY umbenannten und aus dem isolierten Melbourne wegzogen nach London und dann Berlin. Ein gewisser Nick Cave war da mit von der Partie. Aus letzteren wurden THE BAD SEEDS, Howard zerstritt sich mit Cave, stieg bei CRIME & THE CITY SOLUTION ein. 1987 gründete er als Sänger und Gitarrist dann zusammen mit seinem Bruder Harry Howard am Bass und Drummer Epic Soundtracks (1997 verstorben) – mit beiden hatte er schon zusammen bei CRIME & THE CITY SOLUTION gespielt – sowie seiner Freundin Genevieve McGuckin (key) THESE IMMORTAL SOULS und blieb damit jener Klangfarbe treu, die bei allen Unterschieden all diese Bands verbindet. Das Debütalbum „Get Lost (Don’t Lie)“ erschien 1987 auf Mute –und etwas später in den USA auf SST. Seinerzeit – es gab kein Internet und wenig zu lesen zu diesen Bands – musste man sich all diese Connections zwischen den Bands irgendwie zusammenreimen, es waren Geheimtipps unter Freunden: „Wenn du Nick Cave magst, hör dir mal CRIME & THE CITY SOLUTION und THESE IMMORTAL SOULS an.“ Und es stimmte ja. Rowland S. Howards Stimme hatte ein ähnliches Timbre wie die von Cave, die Musik wirkte auf uns Wave-Punks ähnlich düster, wir hatten uns daran gewöhnt, dass diese Bands zwar auch irgendwie Wave, Goth, Punk waren, aber auf eine ganz andere Weise als jene eher „typischen“ Bands aus UK. „Get Lost (Don’t Lie)“ ist ein ungemein rhythmisches, latent disharmonisches Album mit viel Dramatik und alles andere als rifforientierte Rockmusik. Seltsam, dass uns das nicht überforderte. Erst 1992 folgte die (Maxi-)Single „King Of Kalifornia“ und dann das zweite Album „I’m Never Gonna Die Again“. Epic Soundtrack war dann raus, wandelte auf Solopfaden, mit Chris Hughes waren THESE IMMORTAL SOULS erneut auf Europatour, aber es war schon eine andere, neue Zeit: Nur fünf Jahre waren vergangen seit dem Debüt, aber die düsteren Achtziger, zu der die Band perfekt passte, waren vorbei, Grunge, Shoegaze, Britpop die neuen Götter. 1995 zog es die Musiker zurück nach Melbourne, mit Craig Williamson als Drummer und Spencer P. Jones als zweitem Gitarristen ging es sporadisch weiter, aber es kam nicht mehr zu einem dritten Album und am 23.07.1998 spielte die Band in St. Kilda ihr Abschiedskonzert. Beide Alben wurden nun von Lindsay Gravina remastert und von Mute neu aufgelegt, ihnen zur Seite gestellt wurde „Extras“, mit den fünf Studiotracks „Bad“, „My one-eyed daughter“, „Luney tune“, „Open up and bleed“ und „Up on the roof“ sowie fünf Live-Tracks. Zu den beiden regulären Alben gibt es jeweils ein Textbooklet, zu „Extras“ Linernotes von Harry Howard. Essentielles Material für Fans jener Phase des australisch-europäischen Undergrounds, das man auch sehr gut als Triple-CD-Box hätte releasen können. Und über all die Solo-Platten von Rowland reden wir ein anderes Mal.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Joachim Hiller