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FRUSTRATION

Our Decisions

Seit 2002 schon machen FRUSTRATION aus Paris ihr Ding. Pauschal kann man sie irgendwo im Post-Punk-Spektrum verorten, wie es sich einst in den späten Siebziger Jahren in Großbritannien entwickelte. „Pawns of the game“ etwa hat immer wieder diesen dunklen JOY DIVISION-Vibe. Dabei waren sie in diesem Metier schon unterwegs, als das im Gegensatz zu heute noch sehr special Special Interest war und noch nicht unzählige andere Punk- und Indie-Bands diesen dunklen Klangfarben verfallen waren. Nach diversen Besetzungswechseln sind FRUSTRATION heute Nicus (gt), Pat (bs), Mark (dr), Fred (key) und Fab (voc). Ihre Wurzeln haben FRUSTRATION aber auch in der französischen Spielart des Post-Punk, die irgendwer rückblickend mal als Coldwave bezeichnete. Und dann ist da auch noch eine gewisse Germanophilie, wovon über die Jahre diverse Songtitel zeugen, hier „Vorbei“. Sänger Fab etwa lebte zu seiner Wehrdienstzeit in den Achtzigern in Deutschland, Nicus und Fred haben mit TEMPOMAT ein Nebenprojekt, das sich um die Krimiserie „Derrick“ dreht. Nach den Alben „Full Of Sorrow“ (2006), „Relax“ (2008), „Uncivilized“ (2012), „Empires Of Shame“ (2016) und „So Cold Streams“ (2019), zwischen denen noch diverse 7“s und 12“s veröffentlich wurden, erschien im Frühjahr 2024 nun der neue Longplayer „Our Decisions“. Auch der kam wieder auf Born Bad Records aus Paris, was einerseits der von Schlagzeuger Mark betriebene Plattenladen ist, anderseits das umtriebige und unbedingt beachtenswerte Label, um das sich dessen Kollege JB kümmert. Man hört und merkt FRUSTRATION an, wie komplex ihr Bandkonstrukt ist. Hier ist alles durchdacht, hier gibt es keine Song-Schemata von der Stange, vielmehr sind die zehn Songs Unikate, die für sich stehen und das von laut bis leise, von elektronisch – der B-Seiten-Opener und potenzielle Hit „Riptide“ – bis zu gitarrenbetont und druckvoll, siehe eingangs erwähntes „Pawns of the game“ oder „Consumés“. Die Texte? Liegen leider nicht bei, aber schon das von Baldo, einem alten Freund der Band, gestaltete Cover sendet eine klare Botschaft aus: das Gemälde zeigt eine Müllkippe voller Plastik – „unsere Entscheidungen“ (siehe Albumtitel) führten dahin. In eine ähnliche Kerbe haut das Backcover: eine Steckkarte wie im Naturkundemuseum, voller toter Insekten. Ausgestorben, ausgemerzt von einer auf Pestizide setzenden intensiven Landwirtschaft. Ox-Kollege Stille, seit Jahren Fan von FRUSTRATION, fremdelt mit „Our Decisions“ noch etwas, was ich nach den ersten Hördurchläufen nachvollziehen konnte. Aber nach einer „Druckbetankung“ in Vorbereitung des Interviews war es bald vorbei mit meinem Zögern. Es ist ein diverses, komplexes Album jenseits des kurzlebigen Tagesgeschäfts von einer Band, die sich durch ihre Langlebigkeit zum Solitär entwickelt hat.