Nach der respektablen Reunion Mitte der 90er war es wieder ruhig um die alte Krautrock-Legende FAUST geworden, zumal sich die Band auch wieder in alle Winde zerstreute und momentan scheinbar nur noch aus Hans Joachim Irmler und Werner "Zappi" Diermaier besteht.
Via Klangbad verwaltet man momentan vor allem den eigenen Nachlass, aber auch neue Releases. Und die aktuelle FAUST-Veröffentlichung ist schon recht überraschend - oder auch nicht, denn das Vinyl des DÄLEK-Albums "From Filthy Tongue of Gods and Griots" erschien bereits auf Klangbad -, da machen die Anti-Hip-Hoper DÄLEK aus New Yersey mit FAUST gemeinsame Sache und produzieren dabei achtmal gepflegte Industrialsounds, die nicht immer leicht verdaulich sind.
Wer Spaß an radikalen Soundtapeten hat bzw. der Apokalypse in hörbarer Form und sowieso beide Bands mag, wird damit sicher kein größeres Problem haben, aber "Derbe respect, alder" (ein wirklich selten dämlicher Titel ...) ist vor allem ein kompromissloser Wall of Sound, bei dem man noch ansatzweise das Rhythmus-Konzept von DÄLEK heraushören kann, das aber unter den Händen der FAUST-Leute immer wieder zerstückelt wird.
Das klingt dann eben wie das, was sich man gemeinhin unter dem Begriff "Industrial" vorstellt und die Schnittmenge beider Bands darstellt. Der Industrial-Chronist wird vielleicht anmerken, dass z.B.
eine Band wie SPK mit "Leichenschrei" Anfang der 80er schon mal genauso weit war, aber hier führt die Anwesenheit von DÄLEK definitiv zu neuen Ergebnissen. Ähnlich abgewandt von normalen Songstrukturen geht es auch auf Hans Joachim Irmlers Solo-Album zu, der aber vor allem sehr ruhige elektronische Ambient-Sounds erzeugt.
Das muss man schon als Gesamtheit auf sich wirken lassen, denn Irmler verzichtet auf markante Rhythmik oder Sounds, stattdessen gibt es fließende, nicht unbedingt um Disharmonie bemühte Klänge, denen manchmal vielleicht eine stärkere Kontur gut täte, um sie von anderen Platten dieser Art abzuheben, vor allem im New Age-Sektor, auch wenn Irmlers Umgang mit moderner Elektronik durchaus überzeugen kann.
Für Irmler selbst stellt die Platte eine Art musikalische Biographie dar, aber das spielt für den Hörer nicht wirklich ein Rolle, auch wenn es schön ist, dass Irmler mit Musik nach wie vor auf seinem sehr persönlichen Level umgeht, und uns irgendwelche peinlichen Versuche, den Tanzflur mit hippen Beats zu stürmen, erspart hat.
(08/10)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Thomas Kerpen