Dass jetzt das erste Mal so richtig offiziell die beiden damals bei Polydor erschienenen Platten der Hamburger Krautrockband FAUST hierzulande auf CD veröffentlicht werden, hat natürlich nichts damit zu tun, dass bei Universal so nette Typen arbeiten, sondern dass man aus den alten Krautrock-Kamellen noch mal etwas Kapital schlagen will.
Zumindest hat man sich dabei Mühe gegeben, und so gibt es die CDs als Vinyl Replica und die Platten in „audiophilen“ Pressungen, allerdings beim ersten Album natürlich nicht die legendäre durchsichtige Plastikhülle mit der Röntgenhand darauf.
Die Existenz beider Alben ist vor allem dem Musikjournalisten Uwe Nettelbeck zu verdanken, der den aus NUKLEUS und CAMPYLOGNATUS CITELLI entstandenen FAUST einen Vertrag bei Polydor verschaffte, die ihnen in einer alten Dorfschule in Wümme ein Studio einrichtete.
Die damaligen Verantwortlichen werden sich angesichts des dabei entstandenen FAUST-Debüts von 1971 sicherlich immer noch die Haare raufen, denn in kommerzieller Hinsicht war die Platte ein Megaflop, auch wenn die Presse durchaus angetan davon war, nur fand sich für den radikalen Ansatz der sechsköpfigen Band keine Kundschaft.
Drei Stücke gibt es hier zu hören, zwischen acht und 16 Minuten lang, die meilenweit entfernt von dem sind, was man sich so unter normaler Musik vorstellt, selbst in den Siebzigern, als auch recht unkonventionelle Bands noch kommerzielle Erfolge feiern konnten.
Stattdessen gibt es drei wilde Klangcollagen, die durchaus noch normale Rockelemente beinhalten, aber wohl vor allem als Vorläufer für Industrialmusik angesehen werden müssen und deutlicher Ausdruck des avantgardistischen Kunstverständnisses der Beteiligten waren, die damals nicht gerade virtuos mit ihren Instrumenten umgehen konnten, geniale Dilettanten halt.
Für Zuspätgeborene stellt sich dabei vor allem die Frage: Kann man den Lärm überhaupt noch anhören? Ja, man kann, inzwischen läuft das recht kurze Album bei mir sogar zum dritten Mal durch und ich bin immer noch äußerst fasziniert und ebenso amüsiert, was sich die sechs Chaoten damals zusammengesponnen haben, und wo Genie und Wahnsinn mal wieder ganz nah beieinander liegen.
Abenteuerlicher kann man Musik kaum gestalten, was das FAUST-Debüt zu einem echten Klassiker macht, der einen nach knapp 40 Jahren immer wieder in Erstaunen versetzt und der in gewisser Weise auch die bis dahin bekannte Rockmusik revolutionierte, so weit es jemand mitbekam.
Trotz dieses Debakels gab Polydor der Band noch mal eine Chance und es entstand 1972 „So Far“, nachdem man Schlagzeuger Arnulf Meifert unschön aus der Band geklagt hatte. Diesmal waren es neun Songs und mit „It’s a rainy day, sunshine girl“ direkt an erster Stelle für FAUST-Verhältnisse eine echte Hit-Single mit leichten VELVET UNDERGROUND-Anklängen.
Neben dadaistischen lyrischen Tiefschlägen wie „Daddy, take a banana, tomorrow is sunday“ in dem brutal treibenden, psychedelischen „No harm“, sicher einer der besten Songs im FAUST-Gesamtwerk.
FAUST wirken hier in jedem Fall fokussierter und musikalisch konventioneller, an dem ebenfalls starken experimentellen Charakter von „So Far“ ändert das aber auch nichts, das dem Hörer allerdings den Zugang etwas leichter macht, als es beim Debüt der Fall war, ohne dass man beide Platten direkt miteinander vergleichen könnte.
FAUST waren eben schon damals völlig unberechenbar und daran hat sich bis heute nichts geändert. Und auch wenn die beiden danach in England bei Virgin entstandenen Platten immer noch noch recht gut waren, bleiben das Debüt und „So Far“ in Sachen musikalischer Radikalität unerreicht, Popmusik haben FAUST in späteren Jahren allerdings auch nicht gerade gemacht.
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