Der Sänger und Songwriter Erasmo Carlos war einer der frühesten Rock’n’Roller in der brasilianischen Szene. Während der frühen Sechziger begann er mit Adaptionen westlicher Rock-Musik, die er mit seinem Songschreiber-Partner Roberto Carlos (nicht verwandt oder verschwägert) produzierte und arrangierte.
Als zentrale Figuren der jungen Garde der brasilianischen Pop-Musik erreichten die beiden ein Millionen-Publikum mit seichter Pop/Rock-Musik, der Erfolg beschränkte sich nur auf den brasilianischen Markt, im Ausland blieb Brasilien zunächst nur durch Samba und Bossa Nova präsent.
Dann, ab 1970, begann für Erasmo Carlos seine wohl kreativste, künstlerisch wertvollste Phase. Mit drei Alben führte er die brasilianische Popmusik aus der Samba-Sackgasse, das bescherte ihm leider auch seine schlechtesten Verkaufszahlen.
Das Siebziger-Album „... E Tremendoes“ ist ein Versuch, alle relevanten Stile der MPB zusammenzufassen. Ein paar Cover (Caetano Veloso, Antonio Adolfo und Ary Barrosos inoffizielle brasilianische Hymne „Aquarelo do Brasil“, zudem eigene Songs im Stax-Sound, ein abwechslungsreiches Werk größer als die Summe seiner Teile.
Die 71er-Scheibe „Carlos, Erasmo“ ist noch etwas wagemutiger ausgefallen, Tropicalia und Psychedelic Rock spielen hier eine Rolle, Tropicalia-Produzent Manoel Barenbein sitzt an der Konsole, und gleich drei OS MUTANTES-Musiker spielen mit.
Letzter Teil der Trilogie, „Sonhos E Mémorias“, ist vielleicht der fortschrittlichste Beitrag von Erasmo, er verbindet Soul, Jazzrock und Folklore mit Flopwer-Power-Klischees. Das Fusion-Trio AZYMUTH agiert über weite Strecken als Begleitband.
Dreimal Carlos, drei völlig verschiedene Alben eines der interessantesten Songwriters Brasiliens.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #131 April/Mai 2017 und Gereon Helmer