ELIO PETRI EDITION

Im letzten Jahr erlebte mit „Das 10. Opfer“ ein Film des 1982 verstorbenen italienischen Regisseurs Elio Petri seine deutsche DVD-Premiere, der mich trotz schöner Ausstattung und Set-Design wenig begeistern konnte.

Angesichts der „Elio Petri Edition“ von Koch muss ich mein damaliges Urteil über diesen Regisseur noch mal überdenken, denn die drei hier enthaltenen Werke „Zwei Särge auf Bestellung“ („A ciascuno il suo“, 1967), „Das verfluchte Haus“ („Un Tranquillo posto di campagna“, 1969) und „Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies“ („La Classe Operaia va in Paradiso“, 1971) zeigen Petri als ungemein stilsicheren wie originellen Filmemacher, der sich mit politischem wie avantgardistischem Bewusstsein innerhalb der Konventionen von Genrekino bewegte, ohne sich diesen letztendlich zu unterwerfen.

Dafür sind diese drei Filme die besten Beispiele, über die man hierzulande höchstens mal im Fernsehen stolpern konnte. „Zwei Särge auf Bestellung“ entstand zwei Jahre nach „Das 10. Opfer“ und entledigte sich aller überzeichneten Elemente und übertriebener Ausstattung.

Ein Film, der mysteriöser Mafia-Thriller und sentimentale Komödie zugleich ist, und in dem der großartige Gian Maria Volonté (aus Leones ersten beiden Dollar-Filmen und Petris oscarprämierten „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) einen politisch links stehenden Professor spielt, der Mitte der Sechziger auf Sizilien den Grund für den Mord an zwei unbescholtenen Bürgern herausfinden will.

Dabei gerät er selbst in das gesellschaftlich fest verankerte Geflecht von Mafia, Politik und Kirche, was Petri in sehr pessimistischer Form thematisiert, auch in Bezug auf das Schicksal seiner naiven Hauptfigur.

„Zwei Särge auf Bestellung“ scheint aber mehr eine nebulöse Metapher für die gesamtgesellschaftliche Befindlichkeit Italiens zu sein. Mit einem Score von „Django“-Komponist Luis Enríquez Bacalov.

Petris marxistisches Bewusstsein zeigt sich dann noch viel stärker in „Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies“, eine groteske Darstellung der modernen, industriell geprägten Arbeitswelt, die der Regisseur kritisch hinterfragt, sich aber gleichzeitig über die Ideale des Klassenkampfes lustig macht.

Der begeisterte Akkord-Arbeiter Lulu (erneut Gian Maria Volonté) wird sich darin seiner sinnlosen Existenz erst bewusst, als er bei der Arbeit einen Finger verliert und plötzlich zum Klassenkämpfer mutiert, was ihn aber auch nicht glücklich macht.

Die Frage scheint hier zu lauten: Wird man durch die Arbeit verrückt, oder wenn man keine Arbeit mehr hat? Morricones überdurchschnittlicher Score steigert dabei noch den nervösen Rhythmus der wirkungsvollen Inszenierung des Films, dessen humanistische Botschaft zeitlos ist.

Morricone komponierte auch schon den Score von „Das verfluchte Haus“ (der englische Titel „A Quiet Place In The Country“ ist wesentlich akkurater), eine wilde jazzige Kakophonie, an der ein Mike Patton sicher seinen Spaß hat und die perfekt zur surrealen Stimmung des Films passt, denn hier zeigt sich Petri von seiner avantgardistischsten Seite.

Franco Nero spielt darin einen hochbezahlten Künstler, bei dem Genie und Wahnsinn wie so oft nah beieinander liegen. Um seine Schaffenskrise zu überwinden, legt er sich eine Villa auf dem Land zu, in dem allerdings mal ein schrecklicher Mord passiert war.

In dieser bedrückenden Atmosphäre verliert der Maler in langsam aber sicher den Verstand. Augenscheinlich ist „Das verfluchte Haus“ ein Horrorfilm mit Spukhaus-Elementen und ein Vorläufer von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, letztendlich ging es Petri wohl um eine möglichst drastische Darstellung der Folgen von Schizophrenie.

Offenbar fehlen bei diesem auch visuell beindruckenden, irrsinnigen Trip leider einige Sekunden, was aber nach einem banalen Masterfehler aussieht. Abgerundet wird diese empfehlenswerte Edition noch durch einiges interessantes Zusatzmaterial über Elio Petri auf einer vierten Disc.

Alle drei Filme liegen in deutscher Synchronisation und in italienischer Originalfassung mit Untertiteln vor und besitzen eine durchweg zufriedenstellende Bild- und Tonqualität.