DRIVE

Schon seltsam, dass der Däne Nicolas Winding Refn ausgerechnet für einen Film dermaßen gute Kritiken bekam, bei dem er mehr oder weniger Auftragsregisseur war und zum ersten Mal in seiner Karriere ein fremdes Drehbuch verfilmte, basierend auf dem Roman des Krimiautors James Sallis.

Eine gewisse Ironie steckt sicher auch darin, dass Refn keinen Führerschein besitzt und sich nicht in Los Angeles auskannte, dem Schauplatz seiner existentialistischen Neo-Noir-Ballade mit ihren fetischisierten Autoverfolgungsjagden.

Dafür kennt er sich umso besser in der Filmgeschichte aus, denn „Drive“ ist eine deutliche Hommage auf das amerikanische Action-Kino der Siebziger und Achtziger, plus einer Prise Jean-Pierre Melville.

Neben dem Achtziger-Neon-Look von Michael Manns großartigem „Thief – Der Einzelgänger“ stand hier vor allem Walter Hills „Driver“ Pate, in dem Ryan O’Neal einen namenlosen Fluchtwagenfahrer spielt, der sich ähnlich wortkarg gibt wie die von Ryan Gosling verkörperte mysteriöse Figur in „Drive“, die aber zumindest tagsüber als Stuntfahrer in Hollywood und als Automechaniker auch ehrlicher Arbeit nachgeht.

Sämtliche Bemühungen, seine dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen, werden allerdings durch seine Zuneigung für seine Nachbarin torpediert, als er einwilligt, ihrem gerade aus dem Knast entlassenen Ehemann zu helfen, seine Schulden bei einem Gangster zu begleichen, was zu einer Eskalation der Gewalt führt.

Für manche ist „Drive“ ein Meisterwerk, für andere „the most overrated movie of 2011“. Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen, denn Refns mit Adrenalin vollgepumpter Film ist ein gelungenes Beispiel für „style over substance“ und eine in mitreißende Bilder gegossene Zelebration maskuliner Coolness, bei der die Charaktere allerdings etwas wenig Tiefe entwickeln, ebenso wie die Story als solche.