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DIE UNZERTRENNLICHEN

Als David Cronenbergs DIE UNZERTRENNLICHEN 1989 in die deutschen Kinos kam, war man einigermaßen überrascht. Ein erstaunlich zurückhaltendes Psychodrama ohne die bisherigen Ekel-Exzesse des Kanadiers – bei DIE FLIEGE von 1986 hatte man noch Leute den Kinosaal verlassen sehen –, dem man deswegen irgendwann das Etikett „Body Horror“ angeheftet hat, was auch immer das bedeuten sollte.

Wobei Cronenberg hier durchaus mit diesem Prädikat kokettiert, wenn er etwa Elliot sagen lässt (einen der beiden von Jeremy Irons dargestellten Mantle-Zwillinge): „I’ve often thought that there should be beauty contests for the insides of bodies.“ Einen klassischen Cronenberg-Moment gibt es in DEAD RINGERS (so der Originaltitel) allerdings auch, der aber nur Teil einer kurzen Traumsequenz ist.

Der Originaltitel hat übrigens nichts mit toten Glöcknern zu tun, sondern ist ein idiomatischer Begriff für Doppelgänger. Eigentlich sollte der Film auch TWINS heißen, so wie das zugrunde liegende Buch von Bari Wood und Jack Geasland, doch Ivan Reitman, der zwei frühe Cronenberg-Filme produziert hatte, machte ihn netterweise darauf aufmerksam, dass er sich den Titel bereits für seine Danny DeVito/Arnold Schwarzenegger-Farce gesichert hatte.

Als Grundlage für Wood und Geasland diente Ende der Siebziger der Fall der völlig identischen Zwillinge Stewart und Cyril Marcus, zwei in New York ansässigen Gynäkologen, die man irgendwann in Folge einer Medikamenten- und Drogen-Überdosis tot in ihrem Apartment auffand – die Umstände konnten jedoch nie restlos aufgeklärt werden.

Ganz klar, dass Cronenberg diese Geschichte faszinierte, auf der einen Seite wegen des Berufs der beiden – zumal deren Verhältnis zu Frauen ganz generell eine wichtige Rolle spielt –, auf der anderen Seite wegen der fast symbiotischen Beziehung zwischen den eineiigen Zwillingen.

Denn auch wenn Cronenbergs Mantle-Zwillinge eigenständige Individuen sind, so werden sie im Film als Siamesische Zwillinge charakterisiert, untrennbar im Geiste miteinander verbunden und ohne den anderen nicht überlebensfähig.

Und so ist DIE UNZERTRENNLICHEN letztendlich ein Horrorfilm mit realistischerer Dimension – das macht alleine schon Howard Shores bedrohlicher, aber dennoch sehr melodischer Score deutlich –, der beschreibt, wie die zwei erfolgreichen Gynäkologen daran zugrunde gehen, dass Beverly, der sensiblere von beiden, die Beziehung zu einer Schauspielerin (Geneviève Bujold, die ich immer schrecklich unsexy fand) emotional nicht verkraftet, die ihm schließlich den Laufpass gibt, als sie herausbekommt, dass sie unwissentlich mit beiden Brüdern Sex hatte („I’ve been around a bit.

I’ve seen some creepy things in the movie business. This is the most disgusting thing that’s ever happened to me.“). Daraus resultiert eine selbstzerstörerische Abwärtsspirale inklusive Drogenabhängigkeit und dramatischem Realitätsverlust.

Diese macht auch nicht vor dem Praxisbetrieb der Gynäkologen halt, da Beverly schließlich auf die fixe Idee kommt, dass ihn ausschließlich mutierte Frauen konsultieren, für die er dann auch spezielle Instrumente entwickeln muss.

Szenen, bei denen Cronenberg nicht sonderlich explizit werden muss, um sein Publikum zu schocken. Aber das wäre alles natürlich nur halb so überzeugend, würde Jeremy Irons – der den Film ja quasi zweimal drehen musste, einmal als Beverly und einmal als Elliot – nicht auf solch beeindruckende und glaubhafte Weise zwei charakterlich vollkommen gegensätzliche Personen verkörpern würde.

Eine recht schizophrene Angelegenheit, für die der Mann eigentlich einen Oscar verdient hätte. Damals auch in technischer Sicht durchaus revolutionär, denn die beiden Filmhälften mussten später ja vernünftig zusammenkopiert werden.

Ein in jeder Hinsicht geglücktes Unterfangen, mit dem sich der Kanadier nach exzessiven, wenn auch nicht dummen Genre-Frühwerken wie etwa PARASITEN-MÖRDER (1975), RABID (1977), DIE BRUT (1979), SCANNERS (1981) oder VIDEODROME (1983) spätestens als seriöser Filmemacher etablierte.

Nach diesem Höhepunkt, einem seiner nach wie vor besten Filme, dauerte es allerdings bis 2005 zu A HISTORY OF VIOLENCE, bevor mich Cronenberg wieder mit einem Film rundum überzeugen konnte, denn seine Literaturverfilmungen CRASH oder NAKED LUNCH konnte man nicht gerade als kongenial bezeichnen.

Sein unerreichtes Meisterwerk DIE UNZERTRENNLICHEN auf DVD zu bekommen, war bisher eigentlich kein Problem, nur taugten die meisten deutschen Fassungen nichts. Der Originalton fehlte bei allen, das Bildformat war selten korrekt und im schlimmsten Falle handelte es sich auch noch um geschnittenen Müll für die Kaufhaus-Wühltische.

Bei der neuen DVD von Concorde kann man hingegen bedenkenlos zugreifen, hier ist alles vorhanden, was eine gute DVD ausmacht, neben einigen kleineren Features über den Film. Fehlt nur der Audiokommentar von Cronenberg, der auch weiterhin der schon lange vergriffenen US-DVD von Criterion vorbehalten bleibt.