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DIE STADT DER BLINDEN

Fernando Meirelles und Alejandro González Iñárritu gehörten in den letzten Jahren zu den Shooting Stars des südamerikanischen Kinos und konnten nach CITY OF GOD und AMORES PERROS sehr schnell wesentlich größere Filme internationalen Maßstabs drehen.

Während Iñárritu mit 21 GRAMS einen exzellenten Film nachlegen konnte und erst mit BABEL stark an Überzeugungskraft einbüßte, schwächelte Meirelles bereits bei DER EWIGE GÄRTNER – eine solide John le Carré-Adaption, nicht mehr und nicht weniger.

Und mit seinem letzten Film hat er sich einer weiteren Literaturverfilmung angenommen, dem als unverfilmbar geltenden Roman „Die Stadt der Blinden“ von José Saramago. Darin werden die Bewohner einer Stadt plötzlich von einer sich wie eine Epidemie ausbreitenden Blindheit erfasst.

Die daran Erkrankten werden daraufhin in einer umfunktionierten Nervenheilanstalt kaserniert und ihrem Schicksal überlassen. Nur die Frau eines Arztes hat ihr Augenlicht noch nicht verloren, tut aber so, um an der Seite ihres Mannes bleiben zu können.

Nach und nach werden immer mehr Menschen dort untergebracht und ein Kampf um Lebensmittel und die Herrschaft innerhalb dieser neu entstandenen Mikro-Gesellschaft entbrennt, bei dem die Frau des Arztes zum ausschlaggebenden Faktor wird.

Sollte Saramagos Buch eine tiefergehende philosophische oder humanistische Botschaft zugrunde liegen, kann man in Meirelles Film nicht viel davon entdecken, denn der präsentiert einem eine recht altbackende apokalyptische Vision über den Zusammenbruch der uns bekannten Gesellschaft, die zu Chaos und Anarchie führt, mit dem Unterschied, dass jetzt eben alle blind sind.

Eine Welt voller Behinderter, wobei der Mensch als solcher ja generell deutlich behinderter als der Rest der Tierwelt ist, ein Mängel- und Prothesenwesen. Diese Parabel über den Untergang der Zivilisation endet allerdings so unspektakulär, wie sie begonnen hat, und während alle Welt auf THE HAPPENING eindrischt, wäre auch bei DIE STADT DER BLINDEN die Frage erlaubt, was genau uns Meirelles eigentlich vermitteln will.

Sicher, es gibt immer wieder bedrückende und unangenehme Szenen bezüglich des Umgangs der Menschen miteinander, denn „der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch, wenn er nicht weiß, welcher Art [sein Gegenüber] ist.“, wie es bekanntlich heißt, keine ganz neue Erkenntnis.

Und so bleibt DIE STADT DER BLINDEN letztendlich ein schön bebilderter, keinesfalls langweiliger, aber irgendwie unbefriedigender Film, der am ehesten noch durch die beteiligten Darsteller sehenswert wird.

Allen voran Julianne Moore als nicht erblindete Frau des Arztes, sowieso die interessanteste Figur in DIE STADT DER BLINDEN, denn aus der unsicheren, sich gesellschaftlich nicht wirklich akzeptiert fühlenden Hausfrau wird eine Jungfrau von Orléans unter den Blinden.

Ansonsten wirkt DIE STADT DER BLINDEN wie einer dieser aktuellen Zombiefilme, ohne dass Zombies darin auftauchen würden. Selbst I AM LEGEND schien in dieser Hinsicht noch mehr über den Untergang unsere Zivilisation zu sagen zu haben als Meirelles leider äußerst schwammige Variation bekannter Katastrophenfilm-Szenarien.