DIE LÄUFIGE LEINWAND

Christian Keßler

Letztens meinte unsere Lektorin noch, dass sie Pornos ekelig finden würde, eine Meinung, die sie sicher mit einem Großteil der weiblichen Bevölkerung teilt, die aber auch noch nie die angepeilte Zielgruppe dafür waren.

Andererseits merkt Bela B. hier in seinem Vorwort richtig an, dass Porno inzwischen ja Teil des Mainstreams sei. Man kann sich quasi kaum noch retten vor Nackten in den Medien, womit das Genre natürlich in gewisser Weise auch den Reiz des Verbotenen eingebüsst hat.

Als mit „Deep Throat“ 1972 der erste abendfüllende Porno in einem Kino gezeigt wurde, war das der erste Schritt, das Genre aus der Illegalität heraus zu holen, aber es dauerte noch einige Jahre, bis es vor Gesetzeshütern und Moralaposteln halbwegs sicher war.

Und genau dieser Zeitabschnitt interessiert Autor Christian Keßler in erster Linie in „Die läufige Leinwand“. Keßler dürfte Menschen, deren filmische Sozialisation in den Neunzigern durch das Berliner Magazin „Splatting Image“ geprägt wurde, kein Unbekannter sein.

Er nimmt sich in seinem, mit alten Filmplakaten reich bebilderten Buch auf seine unbedarft offene Art der Pionierzeit des Genres an, damals noch ein Sammelbecken für revoltierende Freigeister und nicht die riesige fleischverarbeitende Industrie, mit der wir es heute zu tun haben.

Neben der Vorstellung einiger früher amerikanischer Porno-Klassiker aus der Zeit von von 1970 bis 1985, gibt es hier auch noch ausführliche und hochinteressante Interviews mit Veteranen des Genres wie Annette Haven, Jamie Gillis, Bill Margold oder Veronica Hart.

Wer jetzt allerdings tiefschürfende feministische Analysen erwartet, ist hier leider völlig fehl am Platz.