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DIE ÄRZTE

Im Schatten der Ärzte

Nachdem Farin, Bela und Sahni 1984 mit „Debil“ der Durchbruch gelungen war, taten sie, was Bands damals taten: nicht erst ein Jahr auf Tour gehen und ein weiteres Jahr Lieder schreiben und gemütlich aufnehmen, sondern ruckzuck wieder ins Studio und die nächste Platte raushauen.

Aus heutiger Sicht, da DIE ÄRZTE seit mindestens zwanzig Jahren schon als coole, popkulturzertifizierte Sympathen mit Punk-Underground-Verwurzelung gelten, war die Band in der Version 1.0 eine seltsame Mischung aus überdrehtem Punk-Humor und NDW-Nachgeburt, über die man sich durchaus streiten konnte, waren sie doch Lieblinge des schrottigen Teenie-Pop-Magazins Bravo (die Älteren unter uns erinnern sich), das den Reverse-Midas-Touch hatte: tauchte eine „unserer“ Bands da auf, musste sie fortan verabscheut werden, auch wenn nicht wenige Punks zu solchen einst erst wurden, weil sie in eben jenem Heft schockierende Bilder von Bunthaarigen aus London gesehen hatten.

„Bravo-Punk“ war später nicht ohne Grund ein Schimpfwort für all jene Bands, die für etwas mehr Ruhm und Ehre, ob nun aus Eigeninitiative oder wegen pekuniären Erwägungen seitens der Plattenfirma, dort redaktionell bedacht wurden.

DIE ÄRZTE anno 1985 waren aber auch echt knuffiges Teeniefutter, das Coverfoto idealer Wandschmuck und die Band seit „Claudia“ sogar ein wenig anrüchig: links der gothpunkige Bela im Robert Smith-Look, daneben Sahnie und Farin im blondbürstigen Billy Idol-meets-DEPECHE MODE-Wavepopper-Style.

„Du willst mich küssen“ ist der smashige Opener und ewige Hit des Albums, der es wie „Buddy Holly’s Brille“ von der B-Seite bis in die Gegenwart geschafft hat, was das Live-Programm betrifft.

Aber auch die Tuberkulose-Nummer „... und es regnet“, „Dein Vampyr“, „Alles“ oder „Wegen dir“ blieben in Erinnerung, wobei beinharte Fans diese Rosinenpickerei garantiert für Gotteslästerung halten.

Die Vinyl-Neuauflage kommt im Klappcover mit Fotos und Songtexten sowie Download-Code. Trivia: Der Albumtitel weist wohl die einzige offizielle Verwendung der gebeugten Form des Bandnamens auf.