In Zeiten von DVD sollte man zwar meinen, jeder größerer Film der letzten 20 Jahre sollte auf diesem Medium erschienen sein, aber tatsächlich ist Barry Sonnenfelds „Die Addams Family“ hierzulande bisher nie über ein Video-Release hinausgekommen.
„Die Addams Family“ war Sonnenfelds Einstand als Regisseur, vorher war er Kameramann für die Coen-Brüder, und drehte später dann die erfolgreiche „Men In Black“-Reihe. Am sympathischsten dürfte aber immer noch seine Umsetzung von Charles Addams morbider Comic-Reihe sein, die 1938 erstmals in der Zeitung „The New Yorker“ erschien.
Das gelang ihm noch mal ähnlich erfolgreich 1993 mit „Die Addams Family in verrückter Tradition“, der hierzulande durch Paramount schon vor einigen Jahren auf DVD ausgewertet wurde. Durch den überraschenden Tod von Hauptdarsteller Raúl Juliá 1994 wurde ein geplanter dritter Film nicht umgesetzt und entstand erst 1998 unter dem Titel „Addams Family – Und die lieben Verwandten“ mit Tim Curry und Daryl Hannah.
Allerdings gingen Sonnenfelds beiden Filmen bereits andere Adaptionen der Addams-Cartoons voraus, allen voran natürlich die legendäre, in den Jahren 1964 bis 1966 produzierte Fernsehserie, ebenso wie mehrere Zeichentrickserien.
Der besondere Reiz an den Cartoons von Addams lag in der grotesken Umkehrung des Ideals der amerikanischen Kernfamilie, die der Zeichner durch eine Gruppe morbider Exzentriker ersetzte, die in einer verrottenden viktorianischen Villa hausen.
Der spezielle Humor entwickelte sich dadurch, dass die Mitglieder Addams Familie all das als normal empfanden, was die Außenwelt als abstoßend und nicht gesellschaftskonform ansah. Einen liebevollen Umgang miteinander, wie bei jeder normalen Familie, kann man ihnen jedenfalls nicht absprechen, auch wenn das bei den Addams’ in der typischen verdrehten Form passiert.
Ein möglicherweise etwas beschränktes Konzept, aber die große Anzahl skurriler Charaktere, die Addams dafür entwickelte, ließen dann doch viel Raum für Variationen. Interessanterweise vollzog sich die Namensgebung der heute als Gomez und Morticia Addams, Onkel Fester, Lurch oder Wednesday bekannten Figuren erst im Zuge der TV-Serie, bei der man Addams hinzuzog.
„Die Addams Family“ startete im September 1964 und damit eine Woche früher als die CBS-Konkurrenzserie „The Munsters“, die ironischerweise ebenfalls nach zwei Staffeln Anfang 1966 wieder eingestellt wurde.
Ihren heutigen Kultstatus erlangten beide Serien allerdings erst später. Da die Basis für „Die Addams Family“ die Cartoons von Addams aus den 30er Jahren waren, erscheint „The Munsters“ tatsächlich wie ein dreister Rip-Off.
Sieht man mal davon ab, dass die Familie Munster den bekannten Monstern der Universal Studios wie dem Frankenstein-Monster, Wolfsmenschen oder Dracula nachempfunden waren, sah das grundsätzliche Konzept ziemlich ähnlich aus, denn auch hier geht es um die satirische Umkehrung des Ideals der perfekten amerikanischen Familie.
Handelte es sich bei den Addams’ um eine wohlhabende Familie, haftete den Munsters immer etwas „Working class“-haftes an, zumal Herman Munster Angestellter eines Beerdigungsinstituts war.
Ähnlich wie den Munsters erging es dann auch der Familie Addams, die einige mäßige Reunions erleiden musste, mit und ohne die Original-Darsteller. Sonnenfeld konnte die Familie Addams dann mit exzellenten Darstellern wie Anjelica Huston, Raúl Juliá, Christopher Lloyd oder Christina Ricci (in ihrem erst dritten Film) charmant neu erfinden, letztendlich litt sein Film wie andere Umsetzungen von Serien auch unter einer etwas aufgesetzten, halbwegs abgeschlossenen Spielfilm-Handlung, um deren Episodenhaftigkeit zu überwinden.
Durch die moderne Tricktechnik gewinnt seine Verfilmung auf jeden Fall an Reiz, vor allem in Bezug auf „das eiskalte Händchen“ („Thing“ im Original), das man in entfesselter Form erleben darf.
Sonnenfelds immer noch sehr ansprechender Film erschien jetzt sowohl auf DVD als auch auf Blu-ray in guter Qualität, allerdings ohne besondere Extras. Die großartige Serie hatte Fox bereits 2007 und 2008 verteilt auf drei DVD-Boxen veröffentlicht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #111 Dezember 2013/Januar 2014 und Thomas Kerpen