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DEXTER

Allgemein wird ja immer der desolate Zustand des Fernsehprogramms beklagt, gleichzeitig muss man auch sehen, dass abseits von Telefonverarschungssendungen noch nie zuvor so viele hochwertige TV-Serien zu sehen waren.

Die stammen natürlich alle aus England und den USA – die Ausnahme bestätigt die Regel –, aber landen früher oder eher später auch bei uns. Selbst als Verächter von Endlosserien wird man da mal schwach, und so war nach HEROES und TRUE BLOOD auch mal DEXTER an der Reihe – in den USA läuft bereits die vierte Staffel, hierzulande erschien jetzt die vielgepriesene erste Season auf DVD.

Insgesamt zwölf Folgen um die 50 Minuten, denen ein faszinierendes, überraschend provokantes Konzept zugrunde liegt. Denn Dexter Morgan (Michael C. Hall, der aktuell in GAMER zu sehen ist) ist das Paradebeispiel für eine gespaltene Persönlichkeit mit perfekter Doppelexistenz: am Tag ein versierter Forensiker und Spezialist für Blutspritzeranalyse bei der Polizei von Miami, bei Nacht ein obsessiver Serienkiller mit fehlender Tötungshemmung („Tonight’s the night.

And it’s going to happen. Again and again has to happen. Nice night. Miami is a great town. I love the Cuban food. Pork sandwiches. My favorite. But I’m hungry for something different now.“).

Das erinnert ein wenig an Patrick Bateman aus „American Psycho“, ein Umstand, dessen sich auch die Macher der Serie bewusst waren, weshalb Morgan als Tarnnamen bei der Beschaffung des Betäubungsmittels Etorphin, mit dem er seine Opfer lähmt, Dr.

Patrick Bateman benutzt. Damit diese extrem schizophrene Figur dennoch Möglichkeiten zur Identifikation lässt, ist Morgan jemand, der seinen Tötungstrieb zumindest kanalisieren konnte und sich so in moralischen Grauzonen bewegt, denn er bringt grundsätzlich nur „böse“ Menschen um.

Dafür maßgeblich verantwortlich sein verstorbener Adoptivvater, ein angesehener Polizist, der den Dreijährigen nach dem grausamen Mord an seiner Mutter, den er mit ansehen mussten, adoptiert hatte und früh die dunklen Seiten des Jungen entdeckt („Harry and Dorris Morgan did a wonderful job raising me.

But they’re both dead now. I didn’t kill them. Honest.“). Der taucht immer wieder in Rückblenden auf, um die Entwicklung dieser Figur weiter zu vertiefen („Harry was a great cop here in Miami.

He taught me how to think like one; he taught me how to cover my tracks. I’m a very neat monster.“). Ebenfalls bei der Polizei, seine Adoptivschwester Debra (Jennifer Carpenter, im wirklichen Leben mit Michael C.

Hall liiert). Um die über 600 Minuten zu füllen, gibt es natürlich noch jede Menge andere Charaktere, wie Dexters Freundin Rita („Rita’s ex-hubby, the crack addict, repeatedly raped her, knocked her around.

Ever since then she’s been completely uninterested in sex. That works for me!), die er aus ganz bestimmten Gründen ausgewählt hat („I chose Rita because she is, in her own way, as damaged as me.“).

Ansonsten geht es in DEXTER natürlich vor allem um die Wahrung der heiklen Doppelexistenz der Hauptfigur, sicherlich der sympathischste Serienkiller, den es bisher gab, aber auch Ted Bundy soll ja ein ganz charmanter Kerl gewesen sein.

Wobei Dexter fast schon schrecklich normal wirkt, wenn man sich die anderen verkrachten Gestalten anschaut, die mit ihm zusammenarbeiten, ganz zu schweigen von den anderen Serienkillern, mit denen er in den jeweiligen Staffeln konfrontiert wird.

Der makabere Humor und die generell morbide Stimmung der Serie dürfte nicht jedermanns Sache sein, aber die erste Staffel von DEXTER liefert einem auf jeden Fall intelligente, überraschend doppelbödige Unterhaltung in teilweise moralisch sehr grenzwertigen Bereichen, was einen hoffen lässt, dass die Fortführung der Geschichte dieses Qualitätslevel halten kann.

Der Serie zugrunde lagen übrigens die Bücher von Jeff Lindsay, in diesem Fall „Darkly Dreaming Dexter“ („Des Todes dunkler Bruder“). Und wie so oft gibt es auch hier kein klares Meinungsbild: entweder bleibt das Buch qualitativ hinter der Serie zurück oder eben andersherum – mich hat die Serie auf jeden Fall bisher überzeugt.