Yukio Mishima gehört zu den wenigen japanischen Schriftstellern, der schon sehr früh auch außerhalb seines Heimatlandes wahrgenommen wurde. Bereits in den Sechzigern gab es deutsche Übersetzungen seiner tabuisierte Themen aufgreifenden Romane wie „Geständnis einer Maske“. Auch sein 1963 entstandener Roman „Der Seemann, der die See verriet“ wurde 1970 ins Deutsche übersetzt. „Der Seemann, der die See verriet“ ist auch einer der wenigen seiner Romane, die außerhalb Japans verfilmt wurden. Hierzulande lief der Film unter dem Titel „Der Weg allen Fleisches“ in den Kinos, erschien dann auf Video, wurde aber erst jetzt bei Pidax in sehr guter Qualität auf DVD veröffentlicht. Douglas Slocombes tolle Kameraarbeit kommt hier sehr schön zur Geltung, der die südenglische Hafenstadt Dartmouth und Umgebung in teilweise wie gemalt wirkenden Bildern einfängt. Das trägt nicht unerheblich zum besonderen Reiz von Lewis John Carlinos Adaption mit Sarah Miles und Kris Kristofferson in den Hauptrollen bei, die oft wie eine kitschige Liebesgeschichte wirkt, unter deren Oberfläche sich aber ein düsteres Drama ödipalen Ausmaßes anbahnt, das um Eifersucht und enttäuschte Heldenverehrung kreist. Carlino, Drehbuchautor des Bronson-Films „Kalter Hauch“, gelang hier eine recht werkgetreue und originelle Adaption von Mishimas nihilistischer Geschichte, die die gegensätzliche Gefühlswelt von Erwachsenen und Kindern auf recht drastische Weise gegenüberstellt. Wie auch im Roman geht es im Film um eine Witwe, die mit ihrem pubertierenden Sohn in einer kleinen Hafenstadt lebt und sich in den Offizier eines Handelsschiffs verliebt. Für den Sohn wird der Seemann schnell zu einem unerwünschten Eindringling, der ihm seine Mutter wegnehmen will. In Folge heckt der Junge zusammen mit einigen Gleichaltrigen einen grausamen Racheplan aus ...
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #155 April/Mai 2021 und Thomas Kerpen