Die große Tragik des 2011 verstorbenen britischen Regie-Exzentrikers Ken Russell, der 1967 nach einigen Fernsehfilmen mit dem parodistischen Agentenfilm „Das Milliarden Dollar Gehirn“ sein Kinodebüt drehte, war, dass er in den 1990er Jahren zunehmend Schwierigkeiten hatte, Geld zur Finanzierung seiner Projekte zu bekommen. Wobei man schon Filmen wie „Gothic“ (1986), „Salomes letzter Tanz“ (1987) oder „Die Hure“ (1990) deutlich das geringere Budget ansah, und die weit entfernt von der stilistischen Klasse von Russells Meisterwerks „Die Teufel“ von 1972 waren, auch wenn seine provokante Verarbeitung von Themen wie Sexualität und Religion in all seinen Filmen weiterhin präsent ist. War „Gothic“ noch eine halbwegs ernsthafte Auseinandersetzung mit der Entstehung von zwei einflussreichen Werken der modernen Schauerliteratur, Shelleys „Frankenstein“ und Polidoris „Der Vampyr“, wirkt „Der Biss der Schlangenfrau“ drei Jahre später deutlich trashiger und nimmt das Horrorgenre trotz erstaunlich blutiger und blasphemischer Szenen nicht so richtig ernst. Alles wirkt wie eine geschmacklich grenzwertige Horrorkomödie, zu der auch die überwiegend noch recht unbekannten Darsteller:innen nicht so richtig passen wollen, wie Catherine Oxenberg („Denver-Clan“), der auf Liebeskomödien spezialisierte Hugh Grant oder Peter Capaldi (der zwölfte Doctor Who). Viel Spaß hatte ganz offensichtlich Amanda Donohoe (ihr zweiter Kinofilm) in ihrer Rolle als verführerische „Schlangenfrau“ in dieser extrem unterhaltsamen und selbstironischen Adaption des Romans „Das Schloss der Schlange“ von „Dracula“-Autor Bram-Stoker, die Russell geschickt in die Gegenwart verlegte. 2019 erschien der Film bereits auf Blu-ray, jetzt gibt es eine Neuauflage als Doppel-DVD und Blu-ray mit identischem Bonusmaterial, leider wie auch der Film ohne deutsche Untertitel.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #169 August/September 2023 und Thomas Kerpen