DER AAL

Der im Mai letzten Jahres verstorbene Shohei Imamura gehört ähnlich wie Nagisa Oshima zur Generation japanischer Filmemacher, die sich Ende der 50er im Zuge der französischen Nouvelle Vague vom sonstigen Output der Filmindustrie Japans absetzen wollten, im Falle von Imamura durch einen fast dokumentarischen Realismus.

Nachdem Imamura bereits 1983 in Cannes die Goldene Palme für THE BALLAD OF NARAYAMA bekommen hatte – mit SCHWARZER REGEN war er 1989 nur nominiert –, erlangte er die begehrte Auszeichnung 1997 mit seinem drittletzten Film DER AAL erneut, die aber Hauptdarsteller Kôji Yakusho entgegennehmen musste, da der Regisseur in japanischer Bescheidenheit bereits das Land verlassen hatte, da er seinem Werk keine allzu großen Chancen eingeräumt hatte.

Eine bedauerliche Fehleinschätzung, denn es gibt nur wenige Filme, die so elegant die Mischung aus feinfühligem Drama und leisem Humor hinbekommen wie DER AAL bzw. UNAGI. Zumal sich der Zuschauer hier auch noch mit einem Menschen identifizieren muss, der aus Eifersucht seine Frau brutal ermordete und dafür acht Jahre ins Gefängnis muss.

Den spielt Kôji Yakusho (aus SHALL WE DANCE? und KAMIKAZE TAXI, bei dem man manchmal das Gefühl hat, er würde in jedem zweiten japanischen Film mitspielen) auf seine gewohnt nach innen gekehrte Art.

Der eröffnet nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in der Heimatstadt seines Bewährungshelfers, ein älterer Priester, einen Friseurladen und kommuniziert hauptsächlich mit seinem Aal. Als er dann eine Frau rettet, die sich aufgrund ihrer unglücklichen Beziehung mit einem Mann, der nur an das Geld ihrer Mutter wollte, das Leben nehmen will, scheint das kosmische Gleichgewicht wieder hergestellt zu sein und die Schuld von Takuro Yamashita in gewisser Weise beglichen.

Allerdings ist es auch mit dessen Ruhe vorbei, denn die Frau hat sich in den Kopf gesetzt, in seinem Friseurladen zu arbeiten und versucht auch darüber hinaus seine Sympathie zu gewinnen.

Doch sowohl seine als auch die unrühmliche Vergangenheit der Frau holt die beiden schnell ein, wobei DER AAL auf ein sehr versöhnliches Ende hinausläuft. Imamura zeigt zwar wenig von dem, was in seinem Protagonisten vorgeht, aber durch dessen Reaktionen auf seine Umwelt wird Yamashita dennoch zu einem sehr lebendigen Charakter.

DER AAL ist humorvoll, dramatisch, absurd wie fantastisch und ein wirklich berührendes humanistisches Statement. Sicher nicht einer der typischsten Filme Imamuras, aber einer seiner schönsten, der jetzt auch mal bei uns auf DVD veröffentlicht wurde – allerdings auch nur in der normalen Kinofassung; der um 20 Minuten längere Director’s Cut erschien außerhalb Japans nur in Australien –, wo man unbedingt auf die deutsch untertitelte japanische Originaltonspur zurückgreifen sollte, um DER AAL wirklich voll und ganz genießen zu können.



Japan 2004, I-On New Media

Nach seinem herzerwärmenden Film QUILL über einen Blindenhund liefert Yoichi Sai in BLOOD AND BONES das weniger schöne Porträt eines Koreaners, der in den 20er Jahren nach Japan immigriert und dessen bis in die 80er reichende Biografie die eines Mannes ist, der seiner Familie und seiner Umwelt generell mit exzessiven Gewaltausbrüchen begegnete.

Sechs Jahre hat Yoichi Sai wohl warten müssen, bis seine erste Wahl für diese Rolle, Takeshi Kitano, endlich Zeit für dieses Projekt hatte, basierend auf dem autobiografischen Bestseller von Sogiru Yan.

Und man könnte sich für sein 140-minütiges Epos kaum eine bessere Wahl für diese Rolle vorstellen, denn Kitano – der in Japan ja eine Ikone der Fernsehlandschaft ist, aber dessen eigenen Regiearbeiten dort in der Vergangenheit auf weniger Gegenliebe gestoßen sind – liefert hier eine Glanzleistung seiner bisherigen Karriere ab, wenn auch eine nicht einfach zu schluckende.

Kitanos Figur Shun-Pei Kim ist ein grobschlächtiger, emotionsloser Mann, der mit fast animalischem Antrieb seine Umwelt wie Dreck behandelt, sich einfach das mit Gewalt nimmt, was man ihm nicht freiwillig geben will, und der die Frauen, die sich komischerweise noch auf ihn einlassen, mit Vorliebe vergewaltigt.

Jemand, den man nicht respektiert, sondern ausschließlich fürchtet, und der mit Maden besetztes Fleisch für eine persönliche Delikatesse hält, quasi als geschmackloser Höhepunkt seines niederschmetternden asozialen Lebenswandels.

Nach seiner Arbeit in einer Fischfabrik verdient Kim seinen Lebensunterhalt als Geldverleiher, doch mit dem Schwinden seiner physischen Macht im Alter beginnt auch der langsame Niedergang, da sich dessen Umwelt immer mehr gegen ihn zur Wehr setzt.

Als letzten Akt seiner Grausamkeit entführt er schließlich einen seiner Söhne, geht mit diesem zurück nach Korea und stirbt dort einsam und verarmt, aber da ist es schon lange zu spät, um dafür noch eine Form von Anteilnahme zu entwickeln.

Was der große Unterschied zwischen THE EEL und Yoichi Sais Film ist, denn Imamuras Mörder wird zu einem tatsächlichen Sympathieträger und Identifikationsangebot, so fremd er einem letztendlich auch bleiben mag.

BLOOD AND BONES ist eine bildgewaltige, durch und durch deprimierende und hoffnungslose Erfahrung, die von der erschreckenden Präsenz Kitanos lebt, und wo man eigentlich höchstens kritisieren könnte, dass Yoichi Sai nicht wirklich versucht, das Innenleben dieses Unmenschen erklärbarer zu machen, der schließlich sogar seiner eigenen Ehefrau das Geld für die Behandlung ihres Krebsleidens verwehrt.

Es bleibt bei einer episodenhaften, ungeschönten und von Gewalt geprägten Darstellung seiner Lebensumstände, bei der gleichzeitig aber auch die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen Japans verknüpft mit Shun-Pei Kims Biografie thematisiert werden, und das ist in dieser Form alles schon eindrucksvoll genug.

Die deutsche DVD enthält noch jede Menge Extras und ist bezüglich Bild- und Tonqualität absolut überzeugend. Leider ist die deutsche Synchro mal wieder eine Totalkatastrophe und raubt auch hier dem Film viel von seiner Überzeugungskraft.