Foto

DAS NETZ DER TAUSEND AUGEN

Der französische Filmregisseur Robert Enrico wird oft in einem Atemzug mit Jean-Pierre Melville, Claude Sautet, Jacques Becker oder Philippe de Broca genannt und drehte anspruchsvolle Kinounterhaltung mit Stars wie Jean-Paul Belmondo, Alain Delon, Lino Ventura, Romy Schneider oder Philippe Noiret. Darunter der sehr empfehlenswerte „Das alte Gewehr“ von 1975 (der von Studio Hamburg ungeschnitten auf DVD und Blu-ray veröffentlicht wurde), in dem ein Chirurg zum Rachenegel mutiert, nachdem ein französisches Dorf von der SS kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs dem Erdboden gleichgemacht wurde. Ein Jahr zuvor drehte Enrico „Das Netz der tausend Augen“ (der Originaltitel „Le secret“, „Das Geheimnis“, ist deutlich unspektakulärer), der hierzulande auch im Kino lief und auf Video veröffentlicht wurde und jetzt das erste Mal auf DVD erschien, in ordentlicher Qualität, ohne Extras oder Untertitel für die französische Tonspur. Wie bei „Das alte Gewehr“ war wieder Pascal Jardin („Der Panther wird gehetzt“) am Drehbuch beteiligt. Die Musik schrieb Ennio Morricone, die aber zu seinen unauffälligeren Arbeiten zählt. Möglicherweise hat man es hier wirklich mit einem übersehenen Meisterwerk des Paranoia-Kinos der 70er zu tun, in dem Jean-Louis Trintignant einen gewissen David spielt, der zu Beginn aus einem Gefängniskrankenhauses flieht, nachdem er einen Wärter umgebracht hatte, und schließlich Unterschlupf auf dem einsamen Berghofs eines Pärchens findet. Angeblich war David einem Staatsgeheimnis auf die Spur gekommen, weshalb man ihn beseitigen wollte. In Enricos mit Horrorelementen angereichertem atmosphärischen und fesselnden Psychothriller bleibt lange unklar, ob David nicht doch nur ein paranoider gefährlicher Geisteskranker ist, dessen Wahnvorstellungen die Wirklichkeit längst verdrängt haben.