Mit „Columbusstraße“ liefert Tobi Dahmen ein zweites autobiografisch geprägtes Graphic Epos. Doch während „Fahrradmod“ auf selbst erlebten Episoden aus der Jugend des Autors basierte, reicht „Columbusstraße“ ein bis zwei Generationen weiter zurück. Von Zeitzeugnissen und Erinnerungen seiner Eltern Andrea Funcke und Karl-Leo Dahmen ausgehend, erzählt er die Saga zweier Familien ab 1935, also während der Zeit des Nationalsozialismus. Herz der Handlung ist die Columbusstraße in Düsseldorf-Oberkassel, eine sehr wohlhabende Villengegend und Heimat der Familie Dahmen. Die Geschichte der damals in Breslau lebenden Familie Funcke wird ab und an eingeschoben. Ausgangspunkt für Dahmens Recherche bildet dabei ein 2005 aufgezeichnetes Gespräch mit seinem Vater über die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Doch erst mit dem Tod des Vaters 2015 startete die eigentliche Arbeit an der hier vorliegenden Graphic Novel. Und die legt das oft opportunistische Agieren und Arrangieren mit dem Status quo der eigenen Großelterngeneration schonungslos offen. Nicht direkt anklagend, einfach nur ehrlich. Denn ohne die Unterstützung der Bürger, von der Zentrumspartei und anderen großen Playern hätten es die Nationalsozialisten nicht an die Macht geschafft und sich erst recht nicht dort halten können. Das sollte sich gerade jetzt jeder noch mal ganz deutlich ins Bewusstsein rufen. Unangebrachte Nostalgie kommt hier definitiv nicht auf, ähnlich ungeschönt schildert Dahmen im Rahmen von Ostfrontberichten seiner Onkel auch den brutalen Umgang deutscher Soldaten mit der russischen Zivilbevölkerung. Ein mahnendes Buch über das Leben in einer dunklen Zeit.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Anke Kalau