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ANJA HUWE

Codes

2022 wurde Anja Huwe gefragt, wie sie, die von Anfang 1980 bis zum Ende 1990 das Gesicht und die Stimme von XMAL DEUTSCHLAND war, zu neuer Musik dieser Band stehe. „Nee, mache ich nicht, will ich nicht, Musik ist für mich Vergangenheit.“ Das war seit Jahren ihre Antwort, sie arbeitet(e) als Producerin für Viva, als bildende Künstlerin – nur nicht mehr mit Musik. Aber die Anfrage war doch verlockend, sie kam von der israelischen Doom-Metal-Band TOMORROW’S RAIN, und durch diese Anfrage kam der Album-Opener „Skuggornas“ zustande. Nun gab Huwe auch dem Drängen ihrer Berliner Musikerkollegin Mona Mur nach, es doch mal mit gemeinsamer Studioarbeit zu versuchen. Das, wogegen sie sich jahrelang gesträubt hatte, entfachte neues Feuer in ihr, die XMAL DEUTSCHLAND-Gitarristin Manuela Rickers kam auch dazu, und die drei deutschen Post-Punk-Pionierinnen begannen, an einem Album zu arbeiten. Neun Stücke finden sich auf „Codes“, das auf dem New Yorker Label Sacred Bones erschienen ist –eine Zufallsbegegnung führte dazu, Huwe lebte lange in NYC. Das Ergebnis ist faszinierend und verblüffend: kein retromanisches Aufbereiten von vier Jahrzehnten alten Sounds, sondern eine Neukreation mit der immer noch unter die Haut gehenden kalten, klaren Stimme von Anja Huwe und der Trademark-Gitarre von Rickers sowie den Sounds und Beats von Mur. Auch interessant ist die Person Olaf Boqwist, der Gitarre und Bass sowie die grafische Gestaltung beisteuerte: Der ist ebenfalls eine graue Eminenz der Hamburger Musikszene, war unter anderem bei BROSCH, MUTTER und ROSSBURGER REPORT– und bei letzteren spielte auch der 2013 verstorbene Peter Bellendir, von 1983 bis 1988 Drummer von XMAL DEUTSCHLAND. Eine geballte Ladung musikalischer Kompetenz also, die zu einem Album führt, das ganz herausragend an die Klangwelt von XMAL DEUTSCHLAND aus der ersten Hälfte der Achtziger anknüpft, aber auch sehr gegenwärtig ist. Mit „Rabenschwarz“, „Pariah“, „Sleep“ und „Living in a forest“ sind mindestens vier starke, sich sofort einprägende Songs enthalten, aber auch die leiseren Töne von erwähntem „Skuggornas“, von „O Wald“, „Zwischenwelt“ oder „Hideaway“ sind betörend. Unbedingt lesenswert sind die Texte auf dem Innersleeve, besonders der von „Pariah“. Ein sehr starkes Comeback – ein Neubeginn?