Laura Jane Grace ist zweifelsohne eine der bewunderungswürdigsten Künstler*innen unserer Zeit – was natürlich zu tun hat mit ihrer Rolle als Transgender-Ikone, die sich in einem nach wie vor von Männern dominierten Business Gehör, Respekt und Zuneigung verschaffte.
Aber es hat auch zu tun mit ihrem enormen künstlerischen Output, das sie seit Jahren auszeichnet. Ihre Band AGAINST ME! – von Beginn an auf einem DIY-Fundament aufgebaut – gehört nicht umsonst nicht mehr nur der Punkrock-Szene, sondern einem größeren Publikum.
Nach zwei großartigen, zu Herzen gehenden Alben – „Transgender Dysphoria Blues“ (2014) und „Shape Shift With Me“ (2016) – legt sie nun als LAURA JANE GRACE & THE DEVOURING MOTHERS ihr erstes Solo-Album vor.
Und die Tatsache, dass „Bought To Rot“ alles Mögliche ist, nur nicht beliebig, zeigt, sie hat ein großes Künstlerherz, das wild schlägt und das sie regelmäßig ausschütten muss, damit es nicht platzt.
Auf „Bought To Rot“ holt sie mit ihren Songs zum großen stilistischen Rundumschlag aus. Klar, der Punk ist Voraussetzung. Ein Stück wie „Reality bites“ stünde auch AGAINST ME! hervorragend zu Gesicht.
Wut, ein wenig Pathos, wunderbare Hookline in Strophe und Refrain – es ist alles da, was man kennt und was diese Band seit jeher so gut und wichtig macht. Aber da ist jetzt noch viel mehr.
Viel mehr Laura allein und über die Band hinaus: „China beach“ hat zu Beginn THE CLASH-Gitarren, ehe es dann in wütendem Grunge à la NIRVANA endet. „Born black“ könnte auch den PIXIES stehen.
„The friendship song“ gemahnt an die BEATLES. „Apocalypse now (& later)“ wandelt auf den Spuren Tom Pettys, wie überhaupt viele Stellen dieses Albums. „Amsterdam hotel“ wiederum ist Garagenrock der Zappelart.
„Manic depression“ rumpelt träge dahin und entzieht sich irgendwie jeder sinnvollen Kategorisierung. Und auf „The acid test song“ wäre Paul Weller stolz. Hier hat jemand mal all das umgesetzt und verwirklicht, was im Bandkontext vielleicht nicht funktioniert hätte oder nicht gewollt gewesen wäre.
Was die Texte angeht , so ist Laura wiederum ganz traditionell unterwegs. Und „traditionell“ heißt in diesem Falle: traditionell mitreißend und relevant. Es ist oft ein bitterer Abgesang auf das Zwischenmenschliche in persönlicher wie in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht.
Es geht um alles verzehrende Zuneigung und Hass. Es geht um die Verbundenheit zur Heimatstadt Chicago, zwischen nostalgischer Liebe und Verachtung. Es geht um Wut, Trauer, Hass, Freude. Kurz um alles auf einmal und um alles auf die emotional stärkste Weise.
So wie es Laura Jane Grace seit jeher auszeichnet. Bereits jetzt steht fest, „Bought To Rot“ ist eine jener Solo-Platten, die später einmal gleichberechtigt neben den Alben mit der Hauptband dieser einzigartigen Künstlerin stehen werden.
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