Bücher nach ihrem Gewicht zu bemessen ist respektlos, und doch, um einen Eindruck von diesem seitens des Verlages als „Mammutwerk“ bezeichneten Buch-Trio zu vermitteln, sagen 10 Kilogramm durchaus etwas aus – ebenso wie der stolze Preis von 248 Euro.
Aber sehen wir die Sache mal realistisch: Nicht wenige Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene geben ein Vermögen aus, um sich möglichst großflächig tätowieren zu lassen, und wie man nach diversen sommerlichen Konzertbesuchen weiß, war nicht jeder 25jährige Hardcore-Fan bei der knallbunten Verzierung seiner Arme gut beraten.
Im Vorfeld einer einen idealerweise lebenslang begleitenden Hautbemalung gilt es also, sich gut zu informieren, sich klarzumachen, dass es eine Menge Alternativen zu den chinesischen Schlangen gibt, die all deine Freunde haben mussten.
248 Euro als Investition für eine Vorstellung davon, was in Sachen Tätowierung möglich ist, ist da ein akzeptabler Preis, wie ich finde. Die grundsätzliche Entscheidung, die zu treffen ist, steckt bereits im Titel des Buches: farbige Tattoos interessieren hier nicht, es geht um einen Stil, der aufgrund seiner im Prinzip einfachen Umsetzbarkeit seinen Ursprung im klassischen Knast-Tattoo hat.
Wo keine Farbe außer schwarz zur Verfügung steht, müssen Nuancen und Schattierungen durch kleine Punkte, durch ein Raster erzeugt werden – so entstehen unterschiedliche Grautöne. Vom Knast-Ruch haben sich diese oft auch als Fineline- oder Single Needle-Tattoos bezeichneten Tätowierungen längst gelöst, auch wenn unter den Trägern der Tattoos, die auf den hunderten teils großformatigen Fotos zu sehen sind, sicher auch Typen sind, deren Motive nach krimineller Karriere aussehen.
Denn zugegeben, wer sich fotorealistisch seine Eltern oder Jesus stechen lässt, für dessen Schönheitsideal habe ich höchstens auf der phänomenologischen Ebene etwas übrig. Speziell im zweiten Band „Dark/Horror“ stößt man aber immer wieder auf Bilder, die in ihrer Heftigkeit nur Bewunderung und Erstaunen auslösen.
Wer ungern Tattoo-Magazine durchblättert und seine Eindrücke lieber geballt vermittelt bekommt, ist mit diesen Büchern hier bestens beraten, und wie im gewohnt detailverliebt vorgehenden Verlag Edition Reuss üblich, sind auch die begleitenden Informationen reichlich vorhanden.
So gibt es neben Texten zu den Herausgebern (Die New Yorker Anwältin Marisa Kakoulas steckt auch hinter „Black Tattoo Art“, 2009 bei Reuss erschienen; der Fotograf Edgar Hoill arbeitet für das Lowrider-Magazin) auch Portraits der Tätowierer nebst Angaben zu deren Studios, und das auf Englisch, Deutsch und Spanisch.
Eine massive Dokumentation ist das, was hier geschaffen wurde, und die wird in ihrem Umfang wohl als Standardwerk angesehen werden müssen.