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ROCK-O-RAMA

Björn Fischer

Wie nähert man sich einem Label wie Rock-O-Rama, das als Punk-Label begann und Mitte der Achtziger zum Epizentrum des Rechtsrock mit all seinen hässlichen Auswüchsen wurde? Für einen Artikel ist das Thema zu komplex, also als Buch, was immer noch ein ambitioniertes Unterfangen ist. Macht man den Cut bei den Punk-Veröffentlichungen, was Fragen offen lassen würde, oder taucht man dann doch so tief in die Materie ein, dass es sich lohnt? Lange habe ich diesem Buch entgegengefiebert, eigentlich seit dem Tag, als ich das erste Mal von dem Projekt gehört habe. Wie viel würde man über Herbert Egoldt (das Phantom), seine Motivation, das Label, die Deals erfahren? Würde es auf ein reines Abgekulte der Releases hinauslaufen (nein!)? Fragen über Fragen. Um ein paar zu beantworten: So, dass es sich lohnt, gut liest und eben die Spätkunden nicht bedient. Nachdem ich das Buch innerhalb von fünf Tagen (immerhin 448 Seiten) komplett mit Anhang, Fußnoten etc. verschlungen habe, kann ich mich innerlich zufrieden zurücklehnen und sagen, dass sich Lektüre und Arbeit daran vollauf gelohnt haben. Das Konzept, sich entlang der einzelnen Releases vorzuarbeiten,wo es möglich war (und es war oft möglich), Originalaussagen von ehemaligen Bandmitgliedern einzuholen, wo es nicht möglich war, Fanzinematerial, alte Reviews und Originalinterviews zu zitieren, das Ganze mit Originalverträgen, nie veröffentlichten Fotos und zusätzlichen Infos zu garnieren, ist logisch und extrem gut umgesetzt. Wahnsinn, wen Björn Fischer für dieses Projekt alles ausgegraben hat und welche Menge Material er dafür gewälzt haben muss. Hier kommen einige zu Wort, die damals 15, 16 oder gerade 18 waren und die Chance auf eine Platte sahen. Die Interviews und Uraltzitate sind in bester „Please Kill Me“-Tradition eingearbeitet, so dass man zweimal hinschauen muss, ob es sich um neuere oder Statements von damals handelt. In diesem Buch steckt viel klassische Recherchearbeit, Fachwissen und jede Menge Geduld, auch mit schwierigen Zeitgenossen Kontakt aufzunehmen, um nichts unbeleuchtet zu lassen. Neben den Releases gibt es Zusatzkapitel zum Rock-O-Rama-Laden, über den SPV-Deal, das Stollwerck-Festival, das Studio am Dom, die Kooperation mit Propaganda Records und die Finnen-Releases und natürlich über die Zeit nach Punk mit dem „Richtungswechsel“. Das „Warum“ ist so simpel und einfach und wird im Buch nun auch empirisch durch nahezu alle Bands beantwortet. Viele ahnten es über die Jahre hinweg. Ich will es eigentlich nicht verraten, aber jüngst wurde ein neugeborener Ferengi nach Herbert benannt. Erstaunlich ist, wie wenige Menschen „niemals“ etwas mit Egoldt zu tun hatten, wie wenige ihn überhaupt kannten und wie naiv die meisten Bands angesichts der Aussicht auf eine Plattenveröffentlichung waren. Natürlich wird es nach dem Erscheinen des Buchs wieder einige geben, die es besser wissen, aber sie hatten ihre Chance, mit Björn Fischer in Kontakt zu treten. Hinzuzufügen wäre vielleicht, dass das Cover vom „Die Deutschen kommen“-Sampler bei aller Soldatenkritik dann doch ursprünglich ein Spiegel-Titelbild von 1981 war, einfach weil Herbert wirklich überall geklaut hat. Das Buch liest sich hervorragend und bietet selbst für alte Säcke wie mich eine ganze Menge Aha-Erlebnisse. Das Spannendste für mich daran: Das Lesen zwischen den Zeilen und wie krass sich manche Dinge in der Erinnerung unterscheiden. Prädikat: Pflichtlektüre!