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BIANCA

Guido Crepax

Viel nackte Haut, üppige Brüste, schmale Taille, Apfelhintern, traumähnlich surreale Handlungsstränge voller Sprünge und Widersprüche, Fesselspiele und diverse andere Fetische – es gibt einige Dinge, die die Figuren „Valentina“ und „Bianca“, beides Schöpfungen des italienischen Grafikers Guido Crepax, miteinander gemein haben. Es gibt allerdings auch Unterschiede: Valentina ist eine selbstbestimmte und -bewusste Frau mit einer hart erarbeiteten Karriere, von Bianca erfährt der Leser so gut wie nichts. Sie hat weder einen Nachnamen noch einen klar erkennbaren eigenen Willen, geschweige denn ein in irgendeiner Form nachvollziehbares Leben. „Bianca“ ist eine BDSM-gespickte Ansammlung von mal mehr, mal weniger versteckten Zitaten, voller schwarzhaariger Barbie-Körper in pornografischen Posen und filmartig hektischen Perspektivwechseln. Erst in der dritten Episode des Sammelbands versucht Crepax seinen hemmungslosen visuellen und inhaltlichen Exzess nachträglich zu rechtfertigen: „Das Mädcheninternat (Die Realität, zuvor)“ koppelt die beiden vorherigen Teile „Das Tollhaus“ und „Odessa, 1905“ an die Erfahrungen und Fantasien einer Internatsschülerin namens Bianca. Na ja. Der in Sachen Erotik in eine ähnliche Kerbe zeichnende (und 2015 beim Charlie Hebdo-Terroranschlag ermordete) Georges Wolinski fasste es so zusammen: „Crepax zeichnet die schönsten Pobacken in der Geschichte der Comics, und von Comics verstehe ich was.“ Als hübsch gezeichneten Intellektuellenpulp, eine Kombination von Wissensprahlerei und Altherrenfantasien unter dem Deckmäntelchen von gezieltem Tabubruch und sexueller Befreiung könnte man „Bianca“ allerdings auch sehen. Aber das muss schließlich jeder für sich entscheiden.